Abgründe (German Edition)
Zentrum des Brandes gewesen.
Als Ethan die Tür vorsichtig hinter sich schloss, war auch der Wind nicht mehr so laut. Er vernahm ein leises Scharren und Klackern, das sich auf dem Boden von rechts nach links bewegte und als er hinsah, erkannte er den gedrungenen Körper einer Ratte, die im nächsten Moment in einem kleinen Loch zwischen den Bodendielen verschwand. Der Boden war also morsch. Vorsichtig machte er ein paar Schritte durchs Wohnzimmer und sah sich erneut um. Das Haus hatte etwas Finsteres an sich. Als Ethan Haley damals in einer Jugendeinrichtung in Springwells abgeholt hatte, hatte der Junge darauf bestanden, dass sie direkt nach Virginia fuhren, ohne noch einmal hierher zurück zu kehren. Was sich hier abgespielt haben mochte, konnte auch Ethan nur erahnen. Haley hatte nie Details preisgegeben.
Er erreichte die kleine Diele, von wo aus eine Treppe nach oben führte. Außerdem konnte er von hier aus in die Küche und ins Schlafzimmer sehen. Beide Räume hatten keine Türen mehr und waren augenscheinlich leer. Ethan nahm sich nicht die Zeit, sie zu überprüfen. Seine Nerven waren bis zum Zerreißen gespannt. Was, wenn er sich geirrt hatte? Für Zweifel war es jetzt zu spät und doch waren sie da.
Er umfasste die Waffe fester und nahm die Treppe ins Visier. Dort oben war ebenfalls alles dunkel, aber jetzt spürte er, dass das Haus nicht leer war. Behutsam erklomm er die ersten Stufen und hoffte, dass sie seinem Gewicht standhalten würden. Das Holz knackte bedrohlich, aber es passierte nichts. Die nächsten drei Stufen waren bereits zusammengebrochen. Mit einem großen Schritt nahm er das Loch, was mal den Mittelteil der Treppe dargestellt hatte. Danach kam er wieder problemlos voran und konzentrierte sich auf die Räume, die vor ihm lagen, als er plötzlich über den Vorsprung der obersten Stufe stolperte und sich am Geländer abstützen musste. Ein höllischer Schmerz schoss durch seine verletzte Schulter. Ethan erstarrte und hielt die Luft an, die Waffe schussbereit. Er lauschte. Nichts. Gerade als sich der Schmerz in seiner Schulter auf ein erträgliches Maß reduziert hatte und er weiter gehen wollte, durchbrach ein gedämpftes Schluchzen die Stille. Evangeline .
Ruckartig wandte er sich um, sah die Tür des Badezimmers rechts vor sich und die des ehemaligen Kinderzimmers etwas weiter vorne links. Die Tür zum Bad stand offen und der Raum schien leer zu sein, die andere Tür war geschlossen. Ethan atmete durch und näherte sich vorsichtig. Er würde diesen Mistkerl erwischen, ihn zur Rede stellen und ihn ein für allemal unschädlich machen, das schwor er sich.
Das kleine Badezimmer, dessen Größe auch jetzt noch die ärmlichen Verhältnisse aufzeigte, in denen Katy und Haley hier gelebt hatten, war tatsächlich leer. Die Dusche war winzig, die Toilette aus der Verankerung am Boden gerissen, das Waschbecken zertrümmert.
Ethan bewegte sich weiter vorwärts, streckte die freie Hand aus und ergriff das kalte Metall der Türklinke. Der Wind hörte auf zu rauschen und es herrschte vollkommene Stille. Dann ertönte das unverkennbare Aufheulen einer Motorsäge.
Als Ethan das Zimmer stürmte, traf ihn ein Schlag, den er hätte kommen sehen müssen und doch niemals erwartet hätte. Er erblickte Evangeline, gefesselt und geknebelt auf einem Stuhl, das Gesicht nass von Tränen, die Kleidung blutverschmiert. Und er erblickte seinen Sohn, der hinter ihr stand und die brüllende Kettensäge fest in beiden Händen hielt.
Haleys Gesicht war bleich und vor Hass verzerrt, das dunkle Haar hing ihm schweißnass in die Stirn. Seine blauen Augen blitzten heimtückisch. Ethan prallte zurück gegen das nachgebende Treppengeländer, für einen Moment glaubte und hoffte er, er würde einfach in die Tiefe stürzen. Das Täterprofil schoss ihm durch den Kopf.
Ich halte für wahrscheinlich, dass sich das Töten von Frauen auf seine Kindheit zurückführen lässt. Auf eine strenge, dominante Mutter.
Haleys Mutter war ein Monster gewesen. Ethan hatte erst nach ihrem Tod von den Umständen erfahren, unter denen sein Sohn hatte leben müssen. Streng und dominant war maßlos untertrieben. Sadistisch und brutal traf es eher.
Willst du auch noch das zerstören, was von meinem Leben übrig ist?
Ethan schüttelte den Kopf. Das war völlig unmöglich, doch das Bild, was sich ihm in Haleys altem Kinderzimmer bot, erstickte jeden Zweifel im Keim.
Die Art wie er geredet hat, erinnerte mich an dich, Ethan.
Ethan richtete
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