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Abgründe (German Edition)

Abgründe (German Edition)

Titel: Abgründe (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nadine d’Arachart
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halbwegs im Griff und den Zündschlüssel abgezogen hatte, stieg Ethan aus dem Wagen. Mit der linken Hand nahm er das Fläschchen Aspirin aus der Hosentasche und kippte sich die letzten Tabletten in den Mund. Nach der langen Fahrt war ihm der bittere Geschmack vertraut und er bildete sich ein, dass der Schmerz in seiner Schulter sofort erträglicher wurde. Er hatte seine Glock am Gürtel und die 38er unter dem Hosenbein versteckt, beide waren voll geladen. Er war bereit.
    Die Sonne war untergegangen und nur noch als schwaches, rötliches Glühen am Himmel zu sehen. Die Lichter und Geräusche der Großstadt, die von Osten herüber wehten, ließen diesen verlassenen Ort surreal erscheinen. Es war kühl, sicher unter zehn Grad und ein starker Wind pfiff um die verwahrlosten Gebäude. Ethan setzte sich im Schutz der Dunkelheit in Bewegung. Er zog die Glock und hielt sie nach unten, um zumindest erst einmal kein großes Aufsehen zu erregen.
    Die Spuren des Brandes, der hier vor fünf Jahren gewütet hatte, waren nie beseitigt worden. Vom ursprünglichen Rostrot des Hauses war nicht mehr viel zu erkennen. Die Fensterscheiben fehlten, die Rahmen waren schwarz vom Ruß und sichtbar verzogen. Das Dach fehlte an einigen Stellen, die kleine Veranda war teils eingestürzt und statt einer Haustür gab es nur eine große Holzplatte, mit deren Hilfe der Eingang sicher irgendwann mal vernagelt gewesen war, die jetzt aber nur noch lose davor lehnte.
    Die beiden Zimmer, die zur Straße zeigten, waren die Küche und einer der Schlafräume. Ethan rief sich den gesamten Grundriss des Hauses vor Augen. Im hinteren Bereich befand sich ein vergleichsweise großes Wohnzimmer und im ausgebauten Dachgeschoss das Kinderzimmer und das Bad. Durch den Brand waren einige der Wände zum Teil eingestürzt und was noch da war, war mit ziemlicher Sicherheit instabil.
    Ethan wusste, dass es klüger gewesen wäre, Verstärkung zu rufen. Die Einheit hätte das Haus umstellen können, es zu allen Seiten absichern, es gemeinsam mit ihm nach dem Täter und seinen Opfern durchkämmen können. Aber er würde denselben Fehler nicht zweimal machen. Er war wieder hier, in derselben Stadt, die Wilbur Birch als Schauplatz für seine Horrorshow gewählt hatte. Damals hatte er vor genau der gleichen Entscheidung gestanden: Allein hineingehen und vielleicht nie zurückkehren oder auf Nummer sicher gehen. Doch diesmal wollte er kein Flammeninferno riskieren. Er würde die Sache selber regeln müssen.
    Ethan sammelte sich und umrundete das Gebäude, so leise es ging. Die Rückseite des Hauses war von den Flammen nahezu unversehrt geblieben. Zwar waren die Mauern auch hier voller Ruß, aber bis auf die Fensterscheiben vollständig. Von dem Raum, der mal das Wohnzimmer gewesen war, führte eine ehemals weiß getünchte Tür in den riesigen, verwilderten Garten. Vor Jahren hatte die Feuerwehr die verkohlten Möbel aus dem Inneren des Hauses hier gestapelt und mittlerweile hatte das Wetter dafür gesorgt, dass von dem Berg an alten Polstermöbeln, Teppichen und Brettern, die einst zu Schränken und Tischen gehört hatten, ein modriger Geruch ausging.
    Er atmete durch und legte vorsichtig die Hand an den Griff der Hintertür. Wenn er jetzt hinein ging, würde es kein Zurück mehr geben – ganz egal, was ihn drinnen erwartete. Unwillkürlich musste er an damals denken, den letzten, entscheidenden Moment, bevor sie Wilbur Birchs Versteck gestürmt hatten. Ethan hatte noch nie darüber gesprochen, aber sein Instinkt hatte ihm gesagt, dass sie einen Riesenfehler machten. Heute schwieg sein Instinkt.
    Die Tür ließ sich leicht öffnen, das verräterische Quietschen in den Scharnieren musste er ignorieren. Ethan fröstelte, als er den leichten Brandgeruch wahrnahm, der sich noch immer in den Räumen gestaut hatte. Vorsichtig trat er ein.
    Im Inneren des Hauses war es fast vollkommen dunkel. Er ließ sich einen Moment Zeit, damit seine Augen sich auf die Verhältnisse einstellen konnten. Der Raum war leer, abgesehen von einem Lampenkabel, das von der Decke hing und dessen Ende verschlungen war, als habe sich jemand daran erhängen wollen. In der rechten Ecke, wo einst das Sofa gestanden hatte, konnte man durch die zerstörte Wand ins Schlafzimmer sehen. Dort ließ sich nichts erkennen, außer einem Gewirr aus helleren und dunkleren Schatten. Ethan schauderte. Katy war auf dem Sofa eingeschlafen, mit der Zigarette in der Hand. Dort war sie gestorben und dort war demnach auch das

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