Abgründe (German Edition)
öffnete die Beifahrertür. »Darf ich? Oder wollen wir hier stehen bleiben?«
Ethan verzog das Gesicht. »Nein, aber ich hätte dir doch die Tür-«
Evangeline stieg ein und schlug die Tür zu. Dann ließ sie das Fenster herunter und beugte sich nach draußen. »Entschuldige, was hast du gesagt?«
Ethan schüttelte den Kopf, schenkte ihr ein verwundertes Grinsen und ging ums Auto herum. Evangeline war eigenartig, das gefiel ihm. Sie war nicht so leicht zu durchschauen wie andere Frauen. Er wusste nicht einmal, ob sie seine Einladung angenommen hatte, weil er sie genauso reizte wie sie ihn, oder nur, um höflich zu sein. Nachdem er eingestiegen war, startete er den Wagen und blickte lächelnd zu ihr herüber.
Evangeline erwiderte seinen Blick fragend. »Was ist? Will er nicht?«
»Wer? Oh der… der Wagen.« Ethan wandte den Blick ab und fuhr los. »Doch, doch, der will«, murmelte er. Diese Frau schaffte es sogar, ihn verlegen zu machen.
-19-
Ames war ihr gefolgt, seit sie in Hampton das Gallant Plaza verlassen hatte. Jetzt saß er vor dem Toilettenhäuschen in seinem Auto und zählte leise bis hundert. Er gab ihr eine Chance. Er gab ihnen immer eine Chance, eine gewisse Zeitspanne, in der sie die Möglichkeit hatten, ihrem Schicksal zu entkommen. Das war fair, fand Ames, doch als er bei hundert angelangt war, hatte sie noch immer keinen Fuß vor die Tür gesetzt.
Bedauernd schüttelte er den Kopf und glitt lautlos aus dem Wagen. Die Nacht war ungewöhnlich kalt und er musste den Reißverschluss seiner Jacke zuziehen. Er steckte die Hände in die Hosentaschen und stapfte leise auf das Häuschen zu. Respektvoll betastete er die beiden Gegenstände, die er gleich würde benutzen dürfen.
Dann öffnete er die Tür und stellte fest, dass sie sich in einer der Kabinen eingeschlossen hatte. Ein zufriedenes Lächeln huschte über seine Lippen. Perfekt für sein Vorhaben. Schlecht für sie.
-20-
Ethan hatte eigentlich geplant, mit Evangeline in sein Lieblingslokal zu fahren, doch sie hatte erklärt, dass sie nach Feierabend genug von stickigen Restaurants hatte. Er hätte sie mit in eine seiner angestammten Bars nehmen können oder gleich mit zu sich nach Hause - wäre sie eine seiner bisherigen Freundinnen. Weil sie aber alles andere als das war, fuhren sie schließlich ins Virginia Aquarium. Ethan selbst war noch nie dort gewesen, hatte sich jedoch von Gladys, die einen ausgezeichneten Geschmack hatte, davon vorschwärmen lassen. Außerdem sahen sich doch alle Frauen gerne Tiere an, oder nicht?
Er parkte den Wagen und räusperte sich. »Tu mir den Gefallen und zähl bis zehn.«
Sie blickte zu ihm herüber und zog eine Augenbraue hoch.
Ethan hob die Hand. »Vertrau mir.« Er stieg aus, schloss seine Tür, ging um den Wagen, hielt ihr die Tür auf und bat sie mit einer galanten Handbewegung, ebenfalls auszusteigen.
Evangeline blickte ihn verwundert an, dann lachte sie, ohne dabei den Kopf in den Nacken zu werfen, wie es seine weiblichen Bekanntschaften sonst gern taten. Er war überrascht, wie ehrlich ihr Lachen klang.
-21-
Roxanna hörte, dass sich die Tür öffnete und schämte sich ein wenig für den Dreck, den sie vorne im Waschraum hinterlassen hatte. Sie zog das schicke schwarze Kleid aus, ließ es an ihren Beinen zu Boden gleiten und achtlos dort liegen. Es war jedes Mal schade um Lance' teure Geschenke, die Schuhe und den Schmuck, doch leider konnte sie all das nicht mit nach Hause nehmen. Sean würde sicher misstrauisch werden und das galt es zu vermeiden. Lediglich die edlen Dessous behielt sie an. So nah, dass sie ihm auffallen könnten, kamen sie sich schon lange nicht mehr.
Roxanna öffnete gerade den Reißverschluss ihrer Tasche, als etwas so laut gegen die Tür krachte, dass sie erschrocken zusammenfuhr.
»Hallo?« Ihre Stimme zitterte und sie wunderte sich selbst darüber.
Stille.
»Hallo, ist da wer?«
Ein leises Schaben an der Tür.
Roxanna wich zurück und presste sich mit dem Rücken gegen die metallene Wand neben der Toilette.
»Lassen Sie das... Bitte, Sie machen mir Angst!«
-22-
Ethan hatte sich noch nie sonderlich für Fische interessiert. Sie schwammen im Meer herum, klappten ihre kleinen Mäuler auf und zu und hatten ansonsten nicht viel zu bieten. Dieses Aquarium schien einfach kein Ende zu nehmen und er musste zugeben, dass er nicht der beste Unterhalter war, wenn ihm ein Date wirklich etwas bedeutete. Sie liefen schon seit ein paar Minuten schweigend
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