Abgründe (German Edition)
die Panik in ihrem Blick, die Wirkung, die er auf sie hatte.
Wie das Monster unter dem Bett, wenn man klein ist. Oder wenn man beim Spielen mit dem Ball eine Vase zerschossen hat, sich den ganzen Tag Sorgen deswegen macht und dann abends das Geräusch der Tür hört… Ames ballte die Hände zu Fäusten und konzentrierte sich wieder auf Rose. Mit jedem Schritt, den er tat, wuchs das Grauen in ihren Augen. Er dachte fieberhaft nach, was er als erstes mit ihr anstellen sollte. Der menschliche Körper bot so viele Möglichkeiten, ihn zu zerstören.
Ames blickte zur Seite, wo sich seine kleine Werkzeugsammlung befand. Messer unterschiedlichster Art, eine Stichsäge, eine Knochensäge, eine große Heckenschere und verschiedene medizinische Geräte. Heute hatte er ein neues Spielzeug mitgebracht. Mit einem Lächeln holte er den Gasbrenner aus seiner Hosentasche und hielt ihn Rose vor die Augen.
»Weißt du, was das ist, meine Liebe?«
Rose blickte verstört auf den Gegenstand in seiner Hand. »Bitte…« wimmerte sie und Tränen liefen über ihre Wangen.
»Das ist keine Antwort auf meine Frage«, stellte Ames fest und umrundete sie langsam, bis er hinter ihr stand. Er wusste, dass es seine Freundinnen nervös machte, wenn sie nicht sehen konnten, was er ihnen antat.
Ames’ Lächeln wurde zu einem Grinsen und er drehte das Rädchen am hinteren Ende des Brenners. Gas strömte aus. Ein Knopfdruck, der die Flamme entzündete, dann strich er das Haar von Roses linker Schulter und hielt den Brenner ganz nah über ihre Haut.
»Rose… ich wette, du brennst darauf, mir ein paar Fragen zu stellen. Das darfst du jetzt.«
»Was wollen Sie von mir?«, entfuhr es ihr. »Warum ausgerechnet ich? Was muss ich tun, damit Sie mich gehen lassen?«
Ames verharrte immer noch mit der Flamme kurz über ihrer Schulter, doch sie wagte es nicht, den Kopf zu drehen. Das Rauschen des ausströmenden Gases musste sie verrückt machen.
»Du musst nur eins tun, damit ich dich gehen lasse .« Ames grinste beim Gedanken daran, welche Art von Gehen lassen er meinte.
»Was?«
»Es ist eigentlich ganz einfach. Mich interessiert weder, wer du bist, noch, wie du dein spießiges Kleinstadtleben führst, noch, was für eine süße Familie du zurücklassen musst, wenn ich dich töte. Alles, was ich von dir wissen will, ist eine Sache: Was ist dein dunkelstes, schmutzigstes, am besten gehütetes Geheimnis? Die eine Sache, die du niemals irgendwem verraten würdest? Die gut versteckte Leiche in der hintersten Ecke deines Kellers?«
Stille. Rose musste wohl erstmal nachdenken. Dann schluchzte sie laut auf. »Das kann und will ich Ihnen nicht sagen!« Ihre Wangen waren gerötet vor Scham. Zumindest glaubte Ames, das im Licht des Brenners zu erkennen.
Er grinste breit, denn das war genau das, was er hören wollte. Für einen Moment blickte er nach draußen in den dichten, ruhigen Wald. Dann senkte er die Flamme auf Roses Haut und ein Schrei zerriss die Nacht.
Sie hatte lange geschrien. Er hatte Gas nachfüllen müssen und ihr die Zunge versengt, bis ihre Schreie zu einem blutigen Gurgeln geworden waren. Das Geräusch hatte ihn zum Lachen gebracht – nicht, weil er diabolisch hatte wirken wollen, sondern weil es einfach zu komisch gewesen war. Jedes Wort ihres Geständnisses musste geschmerzt haben.
Diese Nutte hatte ihren Mann betrogen. Jahrelang. Fünf Tage die Woche spielte sie die brave Hausfrau, um am sechsten und siebten zum zügellosen Jetset-Luder zu mutieren. Ihr mieser, schizophrener Charakter kam in seinem Werk perfekt zum Ausdruck. Jetzt war sie zur Hälfte Roxanna Johnsonn und zur Hälfte Rose, das Monster. Passend zu der Glatze, die sie jetzt an der linken Seite trug, hatte er ihr ein breites Glasgow Smile vom Mundwinkel bis in die Wange geschnitten. Mit jedem Schrei war ihr Lächeln noch breiter geworden. In der guten Rose hatte sich wohl, so kam es Ames zumindest vor, eine kleine Masochistin versteckt. Ihr linkes Augenlid hatte er mit einem scharfen Skalpell entfernt, einfach, weil er gewollt hatte, dass sie ihn ansah. Ihren Oberkörper hatte er zu großen Teilen versengt, aber dann hatte sie begonnen, andauernd bewusstlos zu werden, sodass er das Interesse verloren hatte. Am Ende hatte er sie mit einem Schnitt durch die Kehle erlöst, so wie er es bei allen tat. Ihm gefiel die Vorstellung, dass es nur einer kräftigen Handbewegung bedurfte, um die perfekte Maschinerie eines Körpers für immer und unabänderlich außer Kraft zu
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