Abgründe (German Edition)
besonders häufig und so hatten sie ihre Suche kurzerhand auf acht Orte beschränken können.
Gladys hatte darauf bestanden, dass sich Ethan mit ihr zusammen einem Suchtrupp in Richmond anschloss. Dort lag ihrer Meinung nach der einzig wahrscheinliche Ort, an dem der Mörder eine Geisel für längere Zeit verstecken konnte, ohne aufzufallen. Nachdem er sichergestellt hatte, dass Dewey mit der Koordination der restlichen Trupps zurecht kam, hatte er sich sofort auf den Weg gemacht.
Auf dem Weg ins hundert Meilen entfernte Richmond rief Ethan bei Haley an, der ihm gut gelaunt von Abbys Geburtstagsparty erzählte.
»Und heute fahren wir ins Museum of Modern Art . Abby hat es sich gewünscht.«
»Hör mal, Haley.« Es war an der Zeit ihm die Laune zu verderben. »Es gibt hier ein paar Probleme... Wir glauben, dass es sich bei dem Serienmörder um Wilbur Birch handelt.«
»Was? Wie kommt ihr denn darauf?«
»Ich kann dazu nichts sagen, Haley, aber ich möchte dich bitten, noch eine Weile in New York zu bleiben. Ich habe Angst, dass er uns aufspüren und dir etwas tun könnte.« Er fügte schnell hinzu: »Das ist natürlich sehr unwahrscheinlich, aber ich möchte kein Risiko eingehen. Mach dir noch ein paar schöne Tage mit Abby.«
»Und das College?«
»Ich kümmere mich darum.«
-63-
Ames kannte Detroit fast besser als sich selbst. Die breiten Straßen, den gesprungenen Asphalt, die heruntergekommenen Gebäude und den grauen Himmel. Das Wetter war fast immer schlecht, die Winter waren lang und kalt und die Sommer viel zu kurz. Zahlreiche Häuser standen leer und verfielen, andere waren angezündet worden und ihre Skelette ragten wie Mahnmale in den Himmel. Nicht einmal die bunten Graffitis ließen die Stadt farbenfroher und lebendiger wirken. Es war, als hätten sich Amerikas schlechte und hässliche Seiten diese Stadt zum ultimativen Rückzugsort auserkoren. Es gab schlechte Zeiten in L.A., in Boston und Miami, doch einzig hier schienen die Zeiten immer schlecht zu sein.
Er lenkte seinen Wagen aus dem Zentrum und kurbelte das Fenster herunter, um den Geruch der Stadt anstelle der stickigen Luft im Wageninneren einatmen zu können. Die Außenbezirke waren noch schäbiger als die Innenstadt. Von den Fassaden der Wohnhäuser bröckelte die Farbe, Fensterscheiben waren notdürftig geflickt worden, schrottreife Wagen flankierten die Straßen. Es war deprimierend. Alles hier fühlte sich an, als habe man Ames' Innerstes in Form einer Großstadt nach außen gekehrt.
Seine Suche führte ihn immer tiefer in ein Labyrinth aus rechteckigen Vorort-Häuserblöcken. Die 12 th Street, der Rosa Parks Boulevard, das waren alles vertraute Namen für ihn. Manche riefen Erinnerungen hervor. Viele lange Nächte hier draußen hatte er damit verbracht, in die Fenster fremder Leute zu sehen, in die Häuser fremder Familien. In die Zimmer fremder Kinder.
Trotz seiner Ortskenntnis brauchte er für sein Unterfangen eine Straßenkarte. Mit roten Kreuzchen hatte er die Punkte markiert, die er abfahren musste, und zwar bestenfalls heute noch. Ihm blieb nicht viel Zeit für seine Suche.
Die Joy Road, auf die er jetzt abbog, verlief parallel zur Clairmount Street. Er musste an Claire denken und presste die Lippen aufeinander. Es war nicht gut gelaufen mit ihr. Nicht so, wie er es geplant hatte. Doch er konnte es jetzt nicht mehr ändern. Er musste nach vorn blicken. Claire Travis würde nicht seine letzte Freundin gewesen sein.
Ein kurzer Blick auf die Karte, die ausgebreitet auf seinem Schoß lag, verriet ihm, dass er die Quincy Street fast erreicht hatte. Dort wartete einer von vielen leerstehenden Spielzeugläden in Detroit. Und ein Spielzeugladen war jetzt genau das Richtige, das spürte Ames. Was er suchte, würde er zwischen Puppenstuben und Marionetten finden.
-64-
Einer der wenigen Orte in Virginia, an denen die Sumpfkiefer wuchs, war ausgerechnet eine Geisterstadt mit dem Namen Elko Tract. Während Gladys und er sich mit dem Suchtrupp durchs Unterholz kämpften, ärgerte sich Ethan, überhaupt hergekommen zu sein. Es erschien ihm zu klischeehaft, dass der Killer Claire ausgerechnet hierher gebracht haben sollte.
Gladys erklärte ihm indes flüsternd, dass Serienmörder oft versuchten, einen Kult um sich aufzubauen, durch den sie sich noch mehr vom Rest der Menschheit abheben konnte. »Wie Pogo der Clown oder der Zodiac-Killer. Fantasiefiguren, Tierkreiszeichen, Masken aus Menschenhaut, eine Geisterstadt.
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