Abgründe (German Edition)
Serienmörder ergehen sich nur zu gern in übertriebener Symbolhaftigkeit.«
Auch wenn ihm ihre Worte einleuchteten, blieb Ethan skeptisch. Er wollte diesem Kerl endlich zeigen, dass sie nicht machtlos waren und vor allen Dingen wollte er nicht, dass ihm seine Exfreundin zum Opfer fiel, nur weil sie in die falsche Richtung fahndeten.
Die Beziehung mit Claire war Ethans bisher einziger Versuch gewesen, sich fest zu binden und sie war kläglich gescheitert. Bis heute verstand er nicht, was damals in ihr vorgegangen war. Wieso sie nicht mit ihm gesprochen hatte, bevor sie den Termin gemacht hatte oder zumindest, bevor sie in die Klinik gefahren war. Er war sich sicher, er hätte sie umstimmen können. Auch wenn er ihr bis heute nicht verzeihen konnte, gab es in diesem Augenblick nichts, was er sich mehr wünschte, als sie unversehrt zu finden.
Hundegebell ließ ihn aus seinen Gedanken aufschrecken. Einer der Deutschen Schäferhunde, die sie die Witterung von Claire hatten aufnehmen lassen, war stehen geblieben und kläffte lautstark.
»Das Unterholz ist niedergetrampelt worden«, rief der Hundeführer und wies auf eine Stelle, an der die Äste, die den Boden bedeckten, mehrfach gebrochen waren. Auch das dichte Geäst darüber war an mehreren Stellen abgeknickt, als habe jemand versucht, sich einen Weg hindurch zu bahnen.
Der Hund schnüffelte und kläffte erneut, dann zog er an seiner Leine und versuchte, tiefer ins Gebüsch einzudringen.
»Er hat definitiv eine Spur, oder?« Ethan bemerkte den nervösen Unterton in seiner eigenen Stimme.
»Los, ihm nach!« Der Hundeführer ging vor und die Suchstaffel schloss sich ihm an. Ethan und Gladys sahen einander an, dann folgten sie dem Hundeführer ebenfalls durch die Bresche, die die Bestie möglicherweise ins Gebüsch geschlagen hatte, um die wehrlose Claire in den Wald zu schleifen. Ethan zwang sich zur Ruhe. Genau so gut konnte das hier einfach nur der Weg sein, über den ein paar übermütige Jugendliche oder Wanderer die Gegend erkundet hatten.
Der Hund führte sie immer tiefer in den Wald. Die Stimmung war angespannt, niemand sprach mehr. Jeder von ihnen fürchtete, beim nächsten Schritt über die leblose Claire zu stolpern oder einen anderen, grausamen Fund zu machen. Trotzdem suchten ihre Blicke beständig das Unterholz ab.
»Halt!« Ethan blieb stehen und Gladys wäre beinahe aufgelaufen. Sie setzte zu einem verärgerten Kommentar an, aber dann fiel ihr Blick auf seine Entdeckung. Ein blutiger Stofffetzen hing an einem Dornenstrauch. Er schien von einem weißen Kleidungsstück zu stammen.
»Claire Travis hat eine weiße Bluse getragen, als sie entführt wurde. Da war sich ihr Mann zu hundert Prozent sicher«, bemerkte Gladys.
Ethan winkte die beiden Mitarbeiter der Spurensicherung heran. Man reichte ihm einen transparenten Plastikbeutel, in den er das Beweisstück gleiten ließ. Einer der Männer kniete sich auf den Boden und verstaute den verpackten Stofffetzen in einem chromfarbenen Koffer.
»Es ist Blut daran.« Ethan sah Gladys an.
»Das muss nichts heißen. Es kann genau so gut sein Blut sein..« Sie mochte eine gute Profilerin sein, aber sie war eine miserable Lügnerin.
Als sie Elko Tract erreichten, war Ethans Anspannung ins Unermessliche gewachsen. Der Ort trug nicht gerade dazu bei, dass er sich besser fühlte. Verwitterte Fundamente von Häusern aus dem zweiten Weltkrieg, überall Zäune und Warnschilder, dazu der Wasserturm, der bedrohlich in die Höhe ragte. Unter dem dichten Blätterdach herrschte ein stetiges Dämmerlicht und der Fabriklärm aus der nahen Halbleiter-Produktionsanlage sorgte für eine irreale Stimmung, die jeder Geisteskranke einfach sofort ins Herz schließen musste.
Sie hatten keine weiteren Hinweise gefunden. Wind und Wetter waren die perfekten Verbündeten von Mördern und Perversen und konnten jede Spur zunichte machen. Trotzdem hatte der Hund die Spur nicht mehr verloren. Er führte sie unaufhaltsam durch die Überreste der Stadt, weiter in Richtung Wasserturm.
Die Stimmung war gedrückt, daran konnten auch die grellen Sonnenflecken nichts ändern, die den Waldboden an einigen Stellen erhellten. Alle hatten Angst vor dem, was sie erwartete. Ethan hoffte noch immer, dass sie Claire lebend und möglichst unversehrt vorfinden würden, doch der blutige Stofffetzen war ihm wie ein schlechtes Omen vorgekommen.
Vor dem Zaun, der um den Wasserturm gezogen worden war, blieb der Suchhund stehen. Er schnüffelte einen
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