Abgründe (German Edition)
überrascht fest, wie leer er war. Anders als die meisten Frauen hasste sie Shopping und Lebensmittel einkaufen rechnete sie mit ein. Zum Glück gab es einen kleinen Supermarkt ganz in der Nähe, keine dieser riesigen Wal Mart-Filialen, wo gestresste Mütter ihre Zweijährigen durch die Gänge zerrten. Sie war froh, dass Ethans Junge schon erwachsen war, denn Kinder waren wirklich nicht ihr Ding. Durchwachte Nächte, Windeln wechseln, mindestens achtzehn Jahre keine Spur mehr von Unabhängigkeit, das musste sie nicht haben.
Sie griff nach ihrer Handtasche, verließ das Haus und stockte. Da stand ein Polizeiwagen, ein paar Meter von ihrer Einfahrt entfernt. Darin saßen zwei ernst dreinschauende Officers mit Kaffeebechern in der Hand. Der Fahrer, ein schmalgesichtiger Asiate um die fünfzig, blickte zu ihr herüber und lächelte freundlich. Verärgert runzelte Evangeline die Stirn und ging zurück ins Haus. Sie musste dringend mit Ethan sprechen.
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Ethan versuchte, ruhig zu bleiben, während Evangeline aufgebracht vor seinem Schreibtisch auf und ab lief.
»Evey, komm schon...« Er hatte jetzt keinen Nerv auf Beziehungsstress. Oder vielmehr auf Stress mit der Frau, mit welcher er gern einen Beziehung hätte. »Sei nicht sauer.«
»Ich bin nicht sauer! Ich bitte dich einfach nur, deine Kollegen wieder abrücken zu lassen.«
Ethan erhob sich und machte ein paar Schritte auf sie zu. Seit sie vor zehn Minuten hereingeplatzt war, versuchte er ihr zu erklären, warum sie Polizeischutz brauchte, doch sie wollte es nicht einsehen. Sie war der Ansicht, der Killer habe bis jetzt nur Menschen aus Ethans Vergangenheit getötet und glaubte nicht, dass sie selbst in Gefahr war.
»Ich brauche keine Überwachung, Ethan. Ich will auch keine. Ich konnte bis jetzt auch sehr gut auf mich selbst aufpassen!«
Er fasste sie vorsichtig an den Oberarmen. »Bisher warst du aber nicht mit einem Cop aus dem Morddezernat zusammen.«
Irritiert erwiderte sie seinen Blick. »Wir sind nicht-« Sie schüttelte den Kopf und ihr Ärger schien ein wenig zu schwinden.
»Hast du niemanden, bei dem du für ein paar Tage untertauchen kannst?«
Sie atmete durch und erklärte sich bereit, für eine Weile zu ihrer Mutter zu ziehen. »Aber nicht für lange, sonst bringe ich sie um und dann kannst du eine neue Resort City- Bestie jagen.«
Stünde Ethan nicht so unter Strom, hätte er den Spruch komisch gefunden. So drückte er Evangeline lediglich einen Kuss auf die Stirn. Er würde sie selbst zu ihrer Mutter fahren, um sicherzugehen, dass ihr niemand folgte. Er fragte sich, ob er einen privaten Wachdienst beauftragen sollte, heimlich ein Auge auf sie zu haben oder ob er sich damit gefährlich dem paranoiden Wahn nähern würde. Sie war so zerbrechlich. Er würde sie nicht ohne Schutz lassen können, wenn er auch nur noch eine halbwegs ruhige Minute haben wollte. Zum Glück gab es in seinem Handschuhfach eine Schusswaffe, eine 38er, die er ihr geben konnte.
Evangeline löste sich von ihm und wandte sich in Richtung Tür. »Dann los, bringen wir's hinter uns.«
»Hey, Evangeline?«
Sie blieb mit der Hand an der Klinke stehen und sah ihn an.
»Das mit deiner Mutter war doch nicht ernst gemeint, oder?« Er zwang sich zu einem Grinsen, nur um ihr bezauberndes Lächeln sehen zu dürfen.
»Warte es ab, mein Lieber.«
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Wieder zurück im Büro, machte Ethan sich daran, die Aufgaben neu zu verteilen. Dewey leitete von jetzt an ein Team, das schon seit Mittwoch die Parks und Waldstücke in der Nähe von Claires Wohnort und dem Ort ihrer Entführung durchkämmte.
Gladys hatte sich ein weiteres Mal an ihr Täterprofil gesetzt und verglich es mit allem, was sie über Birch wussten. Sie konnte sich nach wie vor nicht mit der Idee anfreunden, dass der vorbestrafte Kidnapper und Brandstifter gleichzeitig der gesuchte Serienmörder sein sollte – er wich einfach zu stark von ihren ursprünglichen Annahmen ab. Auch wenn Birch ein Motiv hatte und Ethan mehr und mehr an seine Schuld glaubte, vertraute er auf Gladys' Kenntnisse. Sie war eine der Besten auf Ihrem Gebiet. Donovan stritt derweil mit der Detroiter Polizei und durchsuchte das Protokoll nach Veränderungen in Birchs regulärem Tagesablauf, der dokumentiert worden war, seit er die Fußfessel trug. Mason war seit seinem Wutausbruch nicht mehr aufgetaucht und Ethan erreichte ihn auch nicht über sein Handy. Wenn die Sache geklärt war, musste er dringend ein paar offene Worte mit ihm
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