Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Abgründe - Wenn aus Menschen Mörder werden - Der legendäre Mordermittler deckt auf

Abgründe - Wenn aus Menschen Mörder werden - Der legendäre Mordermittler deckt auf

Titel: Abgründe - Wenn aus Menschen Mörder werden - Der legendäre Mordermittler deckt auf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: PeP eBooks
Vom Netzwerk:
hatte und auch
nicht in der Nähe. Worüber sie sich noch gewundert hatten, da doch Obdachlose gewöhnlich ihr Hab und Gut mit sich herumschleppen.
    Wie man anhand der modernen Technik nachträglich feststellen konnte, war die U-Bahn sogar 30 Sekunden zu früh abgefahren und die Lehrer hatten ihre Karten genau um 23.35 Uhr und 25 Sekunden gestempelt. Immerhin war es dadurch möglich geworden, exakt den Zeitpunkt zu bestimmen, an dem Dr. W. noch gelebt hat. Vom Tatort zum Stempelautomaten in der U-Bahn-Station benötigten die Zeugen 3 Minuten und 30 Sekunden. Das bedeutete, dass sich Dr. W. um 23.32 Uhr noch bewegt hat. Die Frage war nur, wie lange er anschließend noch lebte. Geht man von einer maximalen Überlebensdauer von insgesamt 15 Minuten aus und lag das Opfer zum Zeitpunkt des Eintreffens der beiden Lehrer in den letzten Zügen, konnte die Tat also maximal 15 Minuten vor 23.32 Uhr begangen worden sein, was auf eine Tatzeit um 23.17 Uhr schließen ließ. Unwahrscheinlich war aber, dass die Tat direkt unmittelbar vor dem Eintreffen der beiden Lehrer passierte, da sie niemanden gesehen und auch nicht das Geringste gehört hatten, als sie sich dem Tatort näherten. Andererseits hatte sich noch keine Blutlache gebildet. Zumindest waren in der, die dann entstanden war und fotografiert wurde, keine Fußabtritte. Also dürfte die Tatzeit zumindest nicht allzu lange vor Eintreffen der Lehrer gelegen haben. Da sie niemandem begegneten, der aus der Unterführung kam, war der Rückschluss erlaubt, dass der Täter den Tunnel auf der anderen Seite verlassen haben müsste. Wie lange das Blut benötigte, um eine Lache zu bilden, ließ sich natürlich nicht exakt feststellen, weil das von vielen Faktoren wie
Lage der Verletzungen und Beschaffenheit der Kleidung abhängt. Aber selbst wenn man davon ausgeht, dass die Tat erst fünf Minuten vorher begangen worden wäre, käme man immer noch auf eine Tatzeit vor 23.30 Uhr, aber keinesfalls vor 23.00 Uhr. Denn so lange hätte Dr. W. nicht überlebt. Wir konnten also, grob gerechnet, von einer Tatzeit zwischen 23.15 Uhr und 23.30 Uhr ausgehen. Eine relativ enge zeitliche Eingrenzung, wie sie nicht immer so exakt möglich ist und was sich in diesem Fall als äußerst wertvoll erweisen sollte. Die beiden Lehrer haben sich hinterher übrigens schwere Vorwürfe gemacht. Zu ihrer Entlastung sei gesagt: Dr. W. hätte auch dann keine Überlebenschance gehabt, wenn sofort ein Notarzt gerufen worden wäre. Das war die eindeutige Auskunft der Rechtsmediziner, da die Herzstiche absolut tödlich waren. Auch wenn es bei Herzstichen nicht zum schlagartigen Todeseintritt kommen muss. Außerdem hatte keiner der beiden Lehrer ein Handy bei sich.
    Die einzige Person, die in der Tatnacht im Bereich des Tatortes kontrolliert worden war, war jener Stadtstreicher, den die Kollegen im Tonnenhäuschen eines Mehrfamilienhauses angetroffen hatten. Franz W. war kein Unbekannter bei der Polizei, aber auch kein Krimineller. Er hatte zahlreiche Vorstrafen, allerdings nur wegen kleiner Diebstähle, die sich im Laufe der Jahre angehäuft hatten, vorwiegend in Supermärkten und vorwiegend war Alkohol als Tatbeute eingetragen. Dass er so oft erwischt worden war, lag wohl auch daran, dass er Zweiliterflaschen billigen Weißweines bevorzugte, die ja nicht so leicht unter der Jacke zu verstecken waren. Hin und wieder war er auch inhaftiert, was ihm normalerweise nichts ausgemacht hätte. Aber im Knast gab es keinen Alkohol, und
das gefiel ihm gar nicht. Seit Jahren machte er Platte, nachdem seine Ehe gescheitert und er ins Bodenlose abgestürzt war.
    Franz W. hasste Obdachlosenunterkünfte wie die Pest. Er wollte nicht wahrhaben, dass er in diesem Milieu gelandet war, wo er doch früher ein ordentliches Leben geführt hatte. Lieber legte er sich auch im Winter ins Freie, bevor er in eines dieser Wohnheime gegangen wäre, wo seiner Meinung nach nur gestohlen, gelogen und geprügelt wird. Einmal war ihm am Monatsanfang die gesamte Sozialhilfe geklaut worden, sodass er das Geld seither im Ostpark versteckte, wo er sich meist aufhielt.
    Wenn es nass war oder regnete, begab sich Franz auf die andere Seite der großen Straße, wo er einen trockenen Platz in einem Tonnenhäuschen kannte. Der Hausmeister hatte nichts dagegen, wenn er sich zu später Stunde dort hineinlegte. Außerdem hielten sich dort keine anderen Obdachlosen auf, es war ganz allein sein Revier. Der strenge Geruch störte ihn nicht. Hauptsache, er war

Weitere Kostenlose Bücher