Abgründe - Wenn aus Menschen Mörder werden - Der legendäre Mordermittler deckt auf
dabei, wenn sich der »geile alte Sack« an ihr »zu schaffen machte« und sich »aufgeilte«. Sie hatten sich schließlich darauf geeinigt, dass sie dafür umsonst bei ihm wohnen dürfe, verpflegt würde und so lange fernsehen könne, wie sie wolle. Den Farbfernseher hatte der Rentner eigens deswegen gekauft.
Monika S. und Matthias A. wurden wegen gemeinschaftlich begangenen Mordes zu lebenslangen Freiheitsstrafen verurteilt. Das Gericht sah bei Monika S. das Mordmerkmal der Grausamkeit verwirklicht. Grausam tötet, wer seinem Opfer aus gefühlloser, unbarmherziger Gesinnung besondere Schmerzen oder Qualen zufügt,
heißt es im Kommentar zum Strafgesetzbuch. Dass dies erfüllt war, daran hatte niemand ernsthafte Zweifel. Nicht einmal der Anwalt von Monika S. Sie habe dem Opfer nicht deshalb den Besenstil in den Hals gestoßen, weil sie Angst vor der Reaktion ihres Mittäters hatte, sondern weil sie voller Wut und Hass auf den Rentner war, der sich geweigert hatte, sie wieder bei sich wohnen zu lassen. Und dass es nicht dem Wunsch von Mattias A. entsprang, nach einer solchen Tat auch noch Wertgegenstände zu entwenden, sondern dem Egoismus von Monika S. zuzuschreiben war, daran hatte das Gericht nicht die geringsten Zweifel. Denn wer käme schon auf die Idee, einen Farbfernseher mitgehen zu lassen, außer einer Person, die als fernsehsüchtig einzustufen ist und ausgerechnet zu der Zeit kein TV-Gerät hatte.
Bei Matthias A. war das Mordmerkmal des niedrigen Beweggrundes der Eifersucht erfüllt und das der Heimtücke auch, da er sein Opfer angegriffen hatte, als dieses völlig arg- und wehrlos war. Das Mordmerkmal der Habgier war bei ihm nicht erfüllt, da der Entschluss zum Diebstahl der Wertgegenstände erst nach der Tötungshandlung gefasst wurde und von Monika S. ausging.
HEIMTÜCKE
Annabella W. ging ins Wohnzimmer, nahm das Telefon und rief die Polizei an.
»Jetzt hätte er es fast geschafft«, schrie sie weinend den Polizeibeamten entgegen, die kurze Zeit später aus dem Aufzug im achten Stockwerk stiegen. Die Nachbarn aus dem gleichen Stockwerk und dem darunter liegenden hatten sich allesamt im großräumigen, quadratisch gestalteten Treppenhaus des sehr gepflegten, achtstöckigen Hochhauses versammelt. Die unmittelbare Wohnungsnachbarin, eine ältere Dame, hatte liebevoll ihren Arm um Annabella W. gelegt, die auf einem Stuhl neben ihrer geöffneten Wohnung saß, eingehüllt in eine warme Wolldecke. Trotzdem zitterte sie wie Espenlaub, ihre Beine wippten auf und ab. Ihr Sohn hockte neben ihr und tröstete sie: »Es wird alles gut, Mama«, sagte er immer wieder.
Ein Streifenbeamter hatte längst den Notarzt angefordert, der fünf Minuten später vor Ort war. Die Retter hatten die Leiche von Helmut W. aus dem schmalen Raum zwischen Bett und Wand herausziehen müssen. Sie lag nun vor dem Fußende des Ehebettes am Boden. Der Notarzt bescheinigte einen nicht natürlichen Tod und trug als Todesursache »Verbluten nach innen und
außen infolge zahlreicher Messerstiche« in die Todesbescheinigung ein. (Die Rechtsmediziner sollten später 34 Einstiche zählen.) Dann kümmerte sich der Notarzt um das Opfer, also um Annabella W. Er gab ihr eine Beruhigungsspritze, eine Einlieferung ins Krankenhaus lehnte sie ab. Sie habe ja ihren Sohn und käme schon klar, meinte sie.
Der Kollege des Kriminaldauerdienstes, der mich kurz nach 2.00 Uhr aus dem Bett geläutet hatte, schilderte knapp den Sachverhalt und meinte, so wie es aussehe, dürfte es sich um eine Notwehrhandlung bzw. eine Notwehrüberschreitung gehandelt haben. Die Frau habe bereits eine erste Aussage gemacht. Demnach sei sie von ihrem gewalttätigen Mann mit einem Küchenmesser angegriffen worden, als sie zu Bett gegangen war. Irgendwie sei es ihr gelungen, ihm das Messer zu entreißen. In ihrer Todesangst habe sie dann auf ihn eingestochen. Sie wisse nicht mehr, wie lange und wie oft. Der Mann sei auch schon mehrfach wegen häuslicher Gewalt in Erscheinung getreten.
Ich fuhr zum Tatort in Erwartung des üblichen Milieus. Es ist zwar eine Tatsache, dass häusliche Gewalt in besseren Kreisen nicht seltener vorkommt als in der sozialen Unterschicht, aber in der sogenannten Oberschicht ruft die Frau Generaldirektor eher ihren Familienanwalt an als die Polizei, wenn sie von ihrem sturzbetrunkenen Gatten wieder einmal vermöbelt wurde, weil sie ihm eine Szene gemacht hat wegen dieser Schlampe von Sekretärin.
Als ich das vornehme Hochhaus betrat, war ich
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