Abgründe
dürfen.
»Das kannst du mir doch gar nicht verbieten«, sagte Kristján.
»Schnauze, Mann«, sagte Sigurður Óli. »Was ist da am Montagabend passiert?«
»Er wollte nicht seinen Lieferwagen benutzen«, antwortete Kristján. »Ich sollte ihm ein Auto beschaffen. Er wusste natürlich, dass ich kein Auto besaß, deswegen verlangte er, dass ich mir den Wagen von meiner Schwester organisierte.«
»Hat er gesagt, was er damit vorhatte?«
»Nein, er hat nur gesagt, dass ich ihn am gleichen Abend zurückkriegen würde.«
»Du bist nicht mit ihm gefahren?«
»Nein.«
»Er war also ganz allein unterwegs?«
»Ja, ich denke schon. Ich weiß es aber nicht. Ich weiß überhaupt nicht, was da abgelaufen ist.«
»Ist er immer so vorsichtig, besorgt er sich bei derartigen Aktionen immer andere Autos?«
»Er ist extrem vorsichtig«, sagte Kristján.
»Du hast ihm also das Auto überlassen. Hast du seitdem von ihm gehört?«
Kristján zögerte. »Ich … Er kam am nächsten Tag in den Baumarkt«, sagte er dann. »Nur ganz kurz. Er hat mir gesagt, wo der Wagen steht und dass ich niemandem davon erzählen dürfte, dass er ihn sich ausgeliehen hat. Außerdem sollten wir uns in den nächsten Wochen oder Monaten oder so am besten gar nicht mehr sehen. Das war alles. Ich hab dann mit Sara telefoniert und ihr gesagt, wo das Auto steht. Die ist total ausgerastet.«
»Hat Þórarinn gesagt, was er von der Frau in diesem Reihenhaus wollte?«
»Nein.«
»Ist er in eigener Sache zu ihr gefahren, oder hat er im Auftrag von jemand anderem gehandelt?«
Kristján sah Sigurður Óli an, er schien den Faden verloren zu haben. Das war einige Male während der Vernehmung vorgekommen, wenn Sigurður Óli sich zu umständlich ausgedrückt hatte. Dann hatte Kristján ihn verständnislos angestarrt, und Sigurður Óli hatte seine Fragen umformulieren müssen. Genau das machte er auch jetzt und achtete darauf, nicht zu schnell zu sprechen.
»Kannte Þórarinn diese Frau?«
»Die er zusammengeschlagen hat?«, fragte Kristján zurück, und es hatte den Anschein, als würde er nachdenken. »Das glaub ich nicht, aber ich weiß es nicht. Darüber hat er nichts gesagt.«
»Ging es darum, Drogenschulden einzutreiben?«
»Keine Ahnung.«
»Vielleicht hast du aber irgendeine Ahnung, was er von ihr wollte?«
»Nein.«
»Hat Þórarinn vielleicht den Mann dieser Frau gekannt? Er heißt Ebeneser.«
»Den Namen hat er nie erwähnt. Ist das ein Ausländer?«
»Nein. Würdest du sagen, dass dieser Þórarinn ein gewalttätiger Mensch ist?«
Kristján dachte nach. Sollte er davon erzählen, wie Þórarinn ihn einmal windelweich geprügelt hatte, weil er seine Schulden nicht bezahlt hatte? Oder als er ihmden Mittelfinger gebrochen hatte, indem er ihn so lange nach hinten bog, bis es knackte. Der Schmerz war unerträglich gewesen. Ansonsten war Þórarinn aber ganz in Ordnung, vor allem, nachdem er sich damit abgefunden hatte, dass bei ihm nichts zu holen war und er ihn für sich hatte arbeiten lassen. Danach waren sie sogar so etwas wie Freunde geworden. Trotzdem glaubte Kristján nicht, dass Þórarinn viele Freunde hatte, zumindest wusste er von niemandem. Einmal hatte er ihn mit seiner Frau sprechen hören, und das war unschön gewesen. Er hatte sie auch mit einer Beule an der Stirn und zerplatzter Lippe gesehen. Und genauso unschön redete er über sie. Zu den Kindern war er gut, aber ansonsten immer total schwierig im Umgang. Eigentlich hatte er ihn nie mit guter Laune erlebt. Und oft genug hatte Þórarinn Kristján damit gedroht, ihn umzubringen, falls er ihn bei der Polizei verpfeifen würde.
»Was hast du gesagt?«, fragte Kristján, der nicht mehr wusste, was Sigurður Óli ihn gefragt hatte.
Dieser wiederholte stöhnend die Frage.
»Das kann gut sein«, sagte Kristján. »Ich glaube, er behandelt seine Frau nicht besonders gut.«
»Und du sagst, dass Þórarinn Schulden eintreibt?«
»Ja.«
»Weißt du das bestimmt? Hast du Beweise dafür?«
»Er hat versucht, Geld bei mir zu holen«, sagte Kristján. »Und ich weiß auch von anderen. Er geht ziemlich brutal vor. Inzwischen macht er das auch für andere.«
»Für andere?«
»Andere Dealer. Egal, für wen.«
»Und verwendet er einen Baseballschläger?«
»Bestimmt«, erklärte Kristján ohne Zögern. Er kanntekeine Geldeintreiber, die nicht Baseballschläger verwendeten.
»Wann hast du ihn zuletzt getroffen?«
»Als er an dem Tag, nachdem das passiert ist, zu mir
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