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Abgründe

Abgründe

Titel: Abgründe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arnaldur Indriðason
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Geldschein nie gesehen.
    Er bekam im Grunde genommen überhaupt keine Verbindung zu seiner Mutter, und er begriff nicht, weshalb sie ihn in die Stadt geholt hatte. Er wusste nicht viel über sie, sie war eine unbekannte Frau für ihn. Sie kümmerte sich praktisch überhaupt nicht um ihn und lebte völlig in ihrer eigenen Welt, in der wenig Platz für ihn war. Sie hatte auch keinen Kontakt zu ihren anderen Kindern oder sonstigen Verwandten. Sie arbeitete nicht, und anscheinend ging sie nur mit Leuten um, die ebensolche Nachteulen waren wie sie. Sie fragte ihn kaum je danach, wie es ihm ginge, ob er schon Freunde gefunden hatte, wie ihm die Schule gefiel, ob er von anderen Kindern aufgezogen wurde.
    Hätte sie ihn auch nur ein Mal danach gefragt, hätte er ihr sagen können, dass es ihm in der Schule gut gefiel, dass er gut mitkam, nur beim Rechnen brauchte er etwas Hilfe, allerdings wusste er nicht, wer ihm helfen konnte. Und die Rechtschreibung war ebenfalls schwierig, beispielsweise die Regeln, wann ein Wort mit zwei S geschrieben wurde oder nur mit einem. Der Lehrer war verständnisvoll und geduldig, auch wenn er bei den Diktaten schlecht abschnitt. Er schrieb nämlich nur sehr langsam, und das war schlecht, weil die Diktate vom Band immer sehr schnell gesprochen wurden, deswegen bekam er nicht immer alles mit. Er hätte ihr auch sagen können, dass es ihm unangenehm war, wenn die anderen merkten, dass er kein Pausenbrot dabeihatte oder mehrere Tage hintereinander dieselben Sachen trug, was die anderen nicht zuletzt am Geruch merkten.
    Gewissenhaft machte er jeden Tag seine Hausaufgaben, und abends saß er vor dem Fernsehgerät, das war wie Kino im Wohnzimmer. Er sah alles mit dem gleichen großen Interesse an, Nachrichten, Interviews, Krimis oder isländische Unterhaltungssendungen. An den Wochenenden wurden Filme gezeigt, und die ließ er sich nicht entgehen. Es waren vielleicht sogar seine Lieblingssendungen, und natürlich die Zeichentrickfilme.
    Rögnvaldur war schweigsam, wenn er zu Hause war, und sagte von sich aus wenig. Er hatte weder Freunde noch Kontakte zu anderen Menschen. Er bekam nie Besuch, und niemals rief jemand an, der mit ihm sprechen wollte. Irgendwann einmal wachte er mitten in der Nacht auf und sah, dass Rögnvaldur in derKüche saß und rauchte. Vor ihm stand eine Flasche. Ein anderes Mal wachte er auf, als Rögnvaldur neben seinem Bett stand, ihn ausdruckslos anblickte und dann schweigend wieder ins Schlafzimmer zurückkehrte. Er spürte, dass Rögnvaldur ihm mehr Aufmerksamkeit schenkte als seine Mutter, denn er fragte ihn nach der Schule und den Lehrern, und er sah sich das Fernsehprogramm mit ihm an. Er schenkte ihm auch irgendwelche Kleinigkeiten, Bonbons, Sprudel oder Kaugummi.
    Eines Abends im Herbst, als seine Mutter nicht zu Hause war, saßen Rögnvaldur und er vor dem Fernseher, und Rögnvaldur fragte ihn, ob er nicht lieber richtige Filme sehen wollte, Trickfilme. Doch, das wollte er natürlich. Rögnvaldur ging daraufhin ins Schlafzimmer und kam mit dem seltsamen Kasten zurück, der auf dem Wohnzimmertisch gestanden hatte, als er in die Stadt kam. Als Rögnvaldur die Schutzhülle abhob, kam das Vorführgerät zum Vorschein. Dann holte er einen ganzen Kasten mit Filmen aus dem Schlafzimmer, und zum Schluss stellte er eine kleine Leinwand auf einem dreibeinigen Stativ auf.
    »Ich zeig dir jetzt Trickfilme, die mir gehören«, sagte Rögnvaldur, nahm einige Filmrollen aus dem Kasten und legte die erste ein.
    Er drückte auf einen Knopf, und die Maschine begann zu laufen. Die Leinwand war hell erleuchtet. Das Gerät schnurrte freundlich, als der Film sich einfädelte, dann verschwand das helle Licht, und Striche und Punkte tauchten auf. Danach begann endlich der Film.
    Nachdem sie sich ihn angesehen hatten, spulte Rögnvaldur den Film zurück, verstaute ihn wieder. Dernächste Film war genauso lustig wie der erste. Trickfilme mit Donald Duck.
    Als der zweite Film durch war, legte Rögnvaldur noch einen Film ein, ohne etwas zu sagen. Es war ein Farbfilm in irgendeiner fremden Sprache. Er begann damit, dass ein erwachsener Mann einem Mädchen über die Haare strich, das nicht älter als sieben Jahre sein konnte. Und dann fing er an, ihr die Kleider auszuziehen.
    »Ich hab das nie gewollt!«, schrie er den Abschaum an, der mit dem Stuhl, an den er ihn festgebunden hatte, nach hinten gekippt war. »Ich hab mir das widerliche Zeug nie ansehen wollen. Du hast mich dazu gezwungen, und du

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