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Abgründe

Abgründe

Titel: Abgründe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arnaldur Indriðason
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gehört, entweder wurden sie als Entschuldigung für die eigene erbärmliche Verbrecherkarriere oder als Beweis dafür ins Feld geführt, auf welchen Irrwegen das Wohlfahrtssystem sich befand. Es reichte ihm zu wissen, dass Kristján nichts Besseres aus seinem Leben gemacht hatte, als sich in einen Schuldensumpf hineinzumanövrieren. Zum größten Teil handelte es sich um Drogenschulden bei diversen Dealern in der Stadt, und in zwei Fällen sogar auch außerhalb von Reykjavík. Geld verdienen war nicht sein Ding, er jobbte mal hier, mal dort – Arbeit gab es ja genug. Die meiste Zeit lungerte er jedoch nur herum, faul und desinteressiert an fast allem. Wann und wo immer er konnte, nahm er Kredite auf, auch in Banken und Sparkassen. Die ganze Batterie von Bank-und Kreditkarten, die er besessen hatte, war inzwischen bei legalen Geldeintreibern und Inkassofirmen gelandet. Größere Sorgen bereiteten ihm hingegen andere Schuldeneintreiber.
    Kristján hatte einige Straftaten begangen, die ihm aber nicht nachgewiesen werden konnten. Er hatte Mädchen, die sich mit ihm einließen, nach allen Regelnder Kunst ausgenommen, und sie kapierten meist erst viel zu spät, was Sache war. Ein Schwiegervater in spe, ein ehemaliger Fußballer, hatte ihn windelweich geprügelt, als er herausfand, dass Kristján diverse Wertgegenstände aus seiner Wohnung geklaut und zu Geld gemacht hatte.
    Einiges hiervon erwähnte er Sigurður Óli gegenüber während der Vernehmung im Dezernat, anderes erfuhr Sigurður Óli von seiner Schwester.
    Kristján wurde außerordentlich gesprächig, nachdem er der Polizei in die Hände geraten war. Das lag nicht zuletzt daran, dass er unter dem Verdacht stand, an einem Mord beteiligt gewesen zu sein, und er war bereit, alles dafür zu tun, diesen Verdacht von sich abzuwälzen. Sigurður Óli hatte aber das Gefühl, dass da noch ein anderer Grund dahintersteckte. Anscheinend hatte Kristján noch nie mit jemandem über sein Leben gesprochen. Nach anfänglichem Zögern sprudelte es jetzt nur so aus ihm heraus, welche Erlebnisse und Bekanntschaften ihn auf die schiefe Bahn gebracht hatten. Anfangs war diese Rückblende lückenhaft und konfus, doch als er in die Gänge gekommen war, tauchte ein Name sehr viel öfter auf als andere, nämlich der eines gewissen Lieferwagenfahrers, der Þórarinn hieß.
    Wollte man Kristján Glauben schenken, war dieser Þórarinn sowohl Dealer als auch Schuldeneintreiber. Diese Kombination war ziemlich verbreitet, da sie ziemlich effektiv war. Kristján glaubte nicht, dass Þórarinn selber Drogen im großen Stil importierte, aber er war knallhart und konnte unerbittlich vorgehen, wenn ihm jemand etwas schuldete. Auf diese Weise warKristján ihm in die Klauen geraten. Da Kristján nur in den seltensten Fällen Geld für seinen Konsum hatte, und weil anscheinend weder Drohungen noch Prügel bei ihm etwas auszurichten vermochten, war Þórarinn dazu übergegangen, alle möglichen Gefälligkeiten von Kristján zu verlangen, um damit wenigstens einen Teil der Schulden wieder reinzuholen. Solche Gefälligkeiten waren unterschiedlicher Art gewesen, Kristján hatte beispielsweise Einkäufe im Alkoholladen oder im Supermarkt für ihn erledigt oder neue Lieferungen von Kurieren oder Cannabis-Züchtern abgeholt. Þórarinn war sehr darauf bedacht, sich nicht mit so etwas in Verbindung bringen zu lassen.
    Laut Kristjáns Aussage rührte dieser Þórarinn selber keine Drogen an, aber er konnte jeden unter den Tisch trinken. Er war früher einmal Leichtathlet gewesen, war verheiratet und hatte drei Kinder. Er legte größten Wert darauf, selber vollkommen im Hintergrund zu bleiben; seine Drogengeschäfte dienten dazu, ihm seine Rente zu sichern, wie er Kristján gegenüber oft erklärt hatte. Er würde aufhören, sobald er das selbst gesetzte finanzielle Ziel erreicht hätte. Þórarinn hatte Kristján auch sehr häufig bei seinen Fahrten mit dem Lieferwagen eingesetzt, dann hatte Kristján immer die schwersten Lasten schleppen müssen. Mit der Bezahlung dafür stotterte er seine Schulden ab.
    Sigurður Óli betrachtete das Häufchen Elend, das vor ihm saß. Er nahm alle diese Aussagen mit Vorbehalt, auch wenn es durchaus stimmen konnte, dass dieses Bürschchen so etwas wie ein Sklave seines Dealers war. Kristjáns Frage, ob er rauchen dürfe, wurde rundheraus abgelehnt, und Sigurður Óli reagierte genausoschroff auf seine Wünsche, etwas zu essen zu bekommen oder zur Toilette gehen zu

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