Abgründig (German Edition)
dieser Treppe machten sie einen kurzen Stopp, um einen Schluck zu trinken.
»Es sieht nach Regen aus«, sagte Tim zu Ralf, während der einen großen Schluck aus seiner Wasserflasche nahm. Ralf wischte sich mit dem Ärmel den Mund ab und sah an den teilweise überhängenden Felsen vorbei nach oben. »Ja, kann schon sein, aber wir sind ja zum Glück nicht aus Zucker.«
Janik kam einen Schritt näher. »Ich hab mal gehört, so ein Wetterumschwung in den Bergen soll nicht ungefährlich sein.«
»Nun fang mir bloß nicht mit diesem Halbwissen an. Ich kenne mich hier aus wie in meiner Westentasche. Ich hab schon alle möglichen Wetterumschwünge mitgemacht, und ich sage euch, das da …«, er deutete mit dem Zeigefinger nach oben, »ist überhaupt kein Problem. Wir werden vielleicht ein bisschen nass, wahrscheinlich aber nicht mal das. Und jetzt hört auf, euch in die Hosen zu machen.«
Ohne Zögern drehte er sich zur Treppe um und begann mit dem Aufstieg. Tim linste noch lange zu den Wolken, während erst Lucas und dann die Mädchen an ihm vorbeigingen. Schließlich setzte auch er den Fuß auf die unterste Stufe.
Als sie eine Dreiviertelstunde später das Ende der Klamm erreicht hatten, waren sie durchnässt. Das leichte Tröpfeln, das begonnen hatte, als sie nach etwa der Hälfte der Klamm aus einem Felstunnel herauskamen, war im Laufe der letzten zwanzig Minuten zu einem richtigen Regenguss geworden. Er hatte die Treppen und Holzstege in glänzende Rutschen verwandelt, sodass sie nur noch langsam vorankamen. Am Ausgang der Höllentalklamm weigerten sich Jenny und Julia, auch nur einen weiteren Schritt zu tun.
»Es bringt doch nichts, jetzt zurückzugehen«, versuchte Ralf sie umzustimmen. »Ihr seid sowieso schon nass. Und jetzt beginnt der schönste Teil der Tour. Außerdem hört es eh gleich auf zu regnen, glaubt mir, ich kenn mich da echt aus. Man kann an der Wolkenformation deutlich erkennen, dass es jeden Moment aufklart.«
»Der Bergfreak hat gesprochen«, kommentierte Denis Ralfs Ausführungen, woraufhin sich alle Blicke auf ihn richteten.
Tim hatte ihn die ganze Zeit über nicht beachtet, daher fiel ihm erst jetzt auf, dass Denis aussah wie ein begossener Pudel. Die sonst so wild abstehenden schwarzen Haare klebten an seinem Kopf und in seinem Gesicht. Die dünne Jacke hatte sich mit Wasser vollgesogen und hing wie ein Sack über seinen knochigen Schultern. Als ihn nun alle begutachteten, verschränkte er trotzig die Arme vor der Brust. »Was glotzt ihr so?«
»Warum behältst du deine dämlichen Kommentare nicht endlich für dich?«, schnauzte Sebastian ihn an. Seine Stimme klang gepresst, und Tim hatte das Gefühl, dass er nur auf einen Grund wartete, um sich mit Denis anlegen zu können.
»Warum? Nur weil ihr euch von … Ralf … irgendeinen Blödsinn erzählen lasst und alles toll findet? Ich sage, was ich denke, basta.«
»Dann wirst du …«
»Ich finde, Ralf hat uns bis hierher gut geführt«, fiel Lena Sebastian ins Wort und wandte sich an Jenny und Julia. »Wollt ihr jetzt wirklich aufgeben und den ganzen Weg allein zurücklaufen? Nur weil es ein bisschen regnet?«
Die beiden Mädchen sahen sich unschlüssig an. »Aber es ist so kalt und eklig«, klagte Julia mit weinerlicher Stimme. Sie wischte sich mit der Hand über die Augen und verschmierte dabei die Wimperntusche, was ihr blasses Gesicht mit den am Kopf klebenden blonden Strähnen etwas gruselig aussehen ließ.
Lena nickte. »Ja, das finde ich auch. Deswegen sollten wir schnell weiter, damit uns wieder warm wird. Hey, ihr könnt mich doch nicht als einziges Mädchen mit den ganzen Jungs hier weiterziehen lassen. Also? Okay?«
Wieder tauschten Jenny und Julia fragende Blicke, doch schließlich nickte auch Jenny. »Also gut.«
»Und du, Julia?« Lena griff in ihre Jackentasche und reichte ihr ein Papiertaschentuch, das auch schon ziemlich durchnässt aussah. »Hier, für deine Augen. Du hast deine Wimperntusche etwas verschmiert.«
Mit einem dankbaren Lächeln nahm Julia das Taschentuch. »Danke. Na gut, gehen wir weiter.«
Lena lächelte zufrieden und warf Ralf einen langen Blick zu, den Tim nicht deuten konnte, der ihm aber überhaupt nicht gefiel.
Eine knappe halbe Stunde später erreichten sie über einen teilweise mit Stufen ausgebauten Weg die Höllentalangerhütte.
Mittlerweile war es kurz nach acht. Die grünen Holzläden waren geschlossen, Tische und Stühle auf der Terrasse fehlten. Auch hier hing ein Schild am
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