Abgründig (German Edition)
zuerst mit Ralf redete, schließlich war er der Einzige, der den Weg kannte, den sie an diesem Tag zurücklegen wollten.
Die beiden wechselten ein paar Worte und lachten leise, bevor Lena endlich zu Tim und Fabian trat und sie lächelnd begrüßte.
»Ich finde, wir sollten einen Brief für die Betreuer hinterlassen«, schlug Fabian vor, als sie fünf Minuten später aufbrechen wollten. »Damit die wissen, wo wir sind.«
»Und gleich hinter uns hermarschieren, um uns zurückzuholen?«, wiegelte Ralf ab. »Vergiss es, Kleiner.«
»Nenn mich nicht Kleiner. Und sagtest du nicht, das sei alles gar kein Problem? Warum sollten sie sich dann die Mühe machen, extra hinter uns herzukommen?«
Ralf zögerte einen Moment, den Fabian ausnutzte. »Also, ich gehe jetzt rein und schreibe denen einen Zettel.«
Er wandte sich um und wollte gerade los, als Ralf resigniert einlenkte: »Warte. Was willst du denen denn schreiben? Du weißt doch gar nicht, wohin unsere Tour führt. Schon gut, ich schreib was, wenn du so große Angst hast.«
Fabian drehte sich wieder Ralf zu. »Ich habe keine Angst. Ich habe Verstand.«
Tim senkte den Kopf, damit Ralf sein breites Grinsen nicht sehen konnte. Fabian gefiel ihm immer besser.
»Ich schreibe den Brief schnell in eurer Hütte, bei uns drüben schlafen ja noch welche. Dort lasse ich ihn auch liegen. Da werden sie ihn frühestens nach dem Frühstück finden, wenn sie merken, dass wir nicht da sind. Bis dahin sind wir schon so weit, dass sie uns nicht mehr einholen.« Und nach einer kurzen Pause fügte er hinzu: »Falls sie überhaupt auf die Idee kommen, uns zu folgen.«
Als niemand widersprach, nickte Ralf Lucas zu und verschwand mit ihm zusammen für etwa drei, vier Minuten in der Hütte.
Als sie wieder auftauchten, verkündete Ralf: »Okay, ist erledigt, auf geht’s. Ab jetzt kein Wort mehr und macht keinen Krach, bis wir aus dem Camp raus sind.«
»Genau«, stimmte Sebastian ihm zu. »Wenn wir schon Ärger bekommen, dann will ich vorher wenigstens meinen Spaß gehabt haben.«
Wie bei der Wanderung bildete Denis das Schlusslicht. Keiner der anderen kümmerte sich darum.
An der letzten Biegung des Schotterwegs blieb Ralf abrupt stehen und hob die Hand. Vor ihnen lag der Zufahrtsbereich, der von einem starken Scheinwerfer in grelles Licht getaucht wurde. Vor der geschlossenen Schranke stand ein Lieferwagen mit laufendem Motor. Der Fahrer war ausgestiegen und hantierte an einem Kästchen herum, bis die Schranke sich lautlos anhob.
»Mist, versteckt euch!«, zischte Ralf mit gedämpfter Stimme und fuchtelte dabei mit beiden Händen in der Luft herum. Rechts von ihnen, nur wenige Meter vom Weg entfernt, stand ein Werkzeugschuppen. Mit ein paar schnellen Sätzen waren alle dahinter verschwunden. Tim lugte ums Eck und konnte sehen, wie sich das Fahrzeug soeben in Bewegung setzte.
Als der Transporter auf gleicher Höhe mit dem Schuppen war, konnten sie den großen Aufkleber mit dem Schriftzug einer Bäckerei aus Garmisch-Partenkirchen auf der Fahrertür sehen.
»So ein frisches Brötchen wär jetzt was«, murmelte Janik, während er den Rücklichtern des Fahrzeugs nachsah.
Sebastian staunte. »Du denkst wohl immer nur ans Futtern?«
Sie warteten kurz ab, bevor sie mit schnellen Schritten den Schutz der kleinen Hütte verließen. Die Schranke war mittlerweile wieder geschlossen, aber es gab einen schmalen Fußweg an der Rezeption vorbei, der jederzeit passierbar war.
Sie hielten sich rechts und überquerten den Vorplatz. Als sie außer Sicht- und Hörweite des Camps waren, blieb Ralf im Schein einer Laterne stehen und wartete, bis auch Denis zu ihm aufgeschlossen hatte. »Alles klar? Seid ihr bereit für das große Abenteuer?« Allgemeines Gemurmel folgte.
»Du könntest uns langsam erzählen, wo wir überhaupt hingehen«, sagte Tim. »Bisher haben wir ja immer nur von einer Bergwanderung zu einer Hütte irgendwo an der Zugspitze gesprochen.«
»Falls wir irgendwann noch aufbrechen.« Alle drehten sich zu Denis um, der den Blicken mit ausdruckslosem Gesicht standhielt.
»Mann, du gehst mir langsam echt auf den Zeiger mit deinen Kommentaren«, sagte Sebastian. »Kannst ja zurückgehen, wenn es dir nicht passt. Mit deinen bescheuerten Turnschuhen kommst du eh nicht weit.«
»Leck mich.«
Mit einem Ruck drehte Sebastian sich um und machte einen Schritt auf Denis zu. »Was sagst du?«
»Hast du ’nen Hörfehler, Mann?«
»Hey, hört auf«, sagte Jenny, die direkt neben Denis
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