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Abgründig (German Edition)

Abgründig (German Edition)

Titel: Abgründig (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arno Strobel
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kein Verantwortungsgefühl. Aber dass du ihm dabei hilfst … Na ja, du musst selber wissen, was du tust.«
    Zu Tims Überraschung nahm Lena seine Hand und hielt sie fest. »Es geht nicht um Ralf, sondern um mich. Meine Eltern fahren immer nur ans Meer, aber ich liebe die Berge, seit wir einmal für ein Wochenende in Österreich waren. Dieses Jahr darf ich zum ersten Mal alleine was unternehmen und ich freue mich seit einem halben Jahr auf dieses Camp. Ich würde wirklich gerne da hoch, aber ich traue Ralf nicht. Ich … möchte dich dabeihaben.«
    Eine Weile sahen sie sich stumm in die Augen. Fünf Sekunden … zehn? Als Tim endlich wieder Worte fand, sagte er: »Ich dachte, du … Also ich war der Meinung, du würdest dich für … Ralf interessieren.« Wieso klang seine Stimme plötzlich so rau?
    Lena stieß ein bezauberndes Lachen aus. »Du Riesendussel.«
    »Was?«
    Ihr Lächeln wurde überirdisch. »Ich habe gesagt, du bist ein Riesendussel. Hast du denn nichts gemerkt?«
    Tim hörte deutlich, wie das Blut in seinen Ohren rauschte. Tausend Ameisen schienen gleichzeitig über sein Gesicht zu rennen. An seinem Hals pochte etwas im Rhythmus seines rasenden Herzschlags, er spürte es so deutlich, dass er befürchtete, Lena müsse es sehen. Seine Hand schloss sich fester um ihre. Wie zart sie sich anfühlte. Plötzlich war Lena ganz dicht vor ihm, ihr wunderschönes Gesicht wurde größer …
    Tim hätte nicht sagen können, wie lange sie sich geküsst hatten, aber es kam ihm vor wie eine Reise in eine andere Welt. Als Lena zurückwich, war das Lächeln aus ihrem Gesicht verschwunden. Es hatte Platz gemacht für einen Ausdruck, den Tim nicht beschreiben konnte. Er wusste nur, dass sie wunderschön war.
    »Hast du jetzt was gemerkt?«, flüsterte sie.
    Tim schluckte trocken und musste fast husten. »J…ja.« Er kam sich so hilflos vor wie selten zuvor in seinem Leben und fühlte sich gleichzeitig so leicht und beschwingt wie noch nie.
    »Und?« Nun lächelte sie wieder.
    »Ich komme mit«, sagte er, dann nahm er allen Mut zusammen, beugte sich vor und küsste sie noch einmal.

8
    Als sie nach Ralfs Anweisungen die ersten Schritte in den Hang machten, wurde Tim klar, dass zumindest die Steinschlaggefahr geringer war, als er befürchtet hatte. Das lag daran, dass sie nicht hintereinander, sondern nebeneinander kletterten. Schon nach den ersten Metern wurde es so steil, dass sie sich schräg nach vorn fallen lassen mussten, um sich mit den Händen an den meist scharfkantigen Steinen festzuhalten.
    Tim kletterte direkt neben Lena und warf ihr Blicke zu, wann immer es ging. Meist jedoch musste er sich auf den unebenen Untergrund konzentrieren und aufpassen, wohin er seine Füße setzte.
    Der Regen war noch stärker geworden und auch der Wind hatte deutlich zugelegt. Er blies in starken Böen über den Hang und zerrte zornig an ihren Jacken und Rucksäcken.
    »Sieht nicht danach aus, als ob der Regen nachlässt«, rief Tim zu Ralf hinüber. Seltsamerweise war der Ärger, den er in der letzten Stunde Ralf gegenüber empfunden hatte, seit seiner Unterhaltung mit Lena wie weggezaubert. Tim fühlte sich in ausgesprochener Gönnerstimmung und verzieh Ralf seine kleinen Angebereien.
    Zwischen ihnen hangelte sich Lucas auf allen vieren nach oben. Der prall gefüllte Rucksack wölbte sich kugelartig auf seinem Rücken und ließ ihn aussehen wie einen seltsamen Riesenkäfer.
    »Wart’s ab«, sagte Ralf keuchend. »Das kann sich hier in den Bergen ganz schnell ändern.«
    Schon nach vier oder fünf Minuten hatte Tim das dringende Bedürfnis, eine Pause einzulegen. Der Aufstieg über den extrem holprigen, abschüssigen Untergrund gestaltete sich enorm anstrengend. Er dachte an Jenny und Julia und entdeckte sie schräg unter sich. Sie waren ein gutes Stück zurückgefallen. Tim hielt an und rief den anderen zu: »Wartet mal auf Julia und Jenny!«
    Es schien für alle eine willkommene Gelegenheit zu sein, sich kurz auszuruhen.
    Als sie nach einer Viertelstunde etwa zwei Drittel des Aufstiegs geschafft hatten, rutschte Sebastian mit der Hand von einem scharfkantigen Stein ab und zog sich eine Schnittwunde zu. Sie war nicht allzu tief, blutete aber. Wie sich herausstellte, hatte niemand Pflaster oder Verbandsmaterial eingepackt, auch Ralf nicht.
    »Wie gut, dass wir den erfahrenen Bergfreak dabeihaben.« Denis mühte sich ganz außen neben Lena den Hang hinauf, daher hatte niemand außer Lena und Tim seine Bemerkung gehört.

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