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Abgrund: Roman (German Edition)

Abgrund: Roman (German Edition)

Titel: Abgrund: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Watts
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Vampire stellte. Eigentlich war es nicht einmal ein echtes Gespenst. Nur eine Simulation, die vorgab, ein Mensch aus Fleisch und Blut zu sein. Die Maschinerie dahinter ließ sich an gelegentlichen Wortwiederholungen, unergiebigen Gesprächsschleifen und einer Fixierung auf Schlüsselwörter anstelle von Ideen erkennen. Wer hatte in der Station den Oberbefehl?, wollte sie wissen. Besaß Clarke mehr Einfluss als Lubin? Hatte Branders Meinung mehr Gewicht als Clarkes? Als ob sich das Wesen dieser phantastischen, verschrobenen Gestalten mit ein paar albernen Fragen fassen ließe. Wie viele Jahre hatte Scanlon gebraucht, um zu seinem heutigen Kenntnisstand zu gelangen?
    Es hieß, dass Rowan ungern persönliche Telefongespräche führte. Die hohen Tiere sorgten sich stets um ihre Sicherheit. Dennoch machte es Scanlon wütend. Schließlich war es ihre Schuld, dass er nun hier war. Was immer er sich in der Riftzone eingefangen hatte, hatte er sich deshalb geholt, weil sie ihn dort hinuntergeschickt hatte. Und alles, was sie ihm jetzt schickte, waren Marionetten ? War er in ihren Augen wirklich so bedeutungslos?
    Natürlich beschwerte er sich nie darüber. Dafür waren seine Aggressionen viel zu passiv angelegt. Stattdessen trieb er seine Spiele mit der Marionette, die sie ihm schickte. Sie ließ sich leicht in die Irre führen, da sie darauf programmiert war, in seinen Antworten auf bestimmte Wörter und Formulierungen zu achten. Eigentlich war sie nur so etwas wie ein abgerichteter Hund, der auf das richtige Kommando hin etwas packte und apportierte. Doch erst wenn er wieder nach Hause zurückgelaufen war, im Maul irgendwelche nutzlosen Trivialitäten, würden seine Besitzer bemerken, wie doppeldeutig manche Schlüsselbegriffe sein konnten …
    Scanlon konnte sich kaum mehr erinnern, wie oft er die Marionette schon mit minderwertiger Kost abgefüttert und wieder zurückgeschickt hatte. Sie kehrte stets wieder zurück, doch sie lernte nicht aus ihren Fehlern.
    Er klopfte gegen den Teleoperator. »Vermutlich bist du schlauer als dieser Doppelgänger von ihr, weißt du. Auch wenn das natürlich nichts zu bedeuten hat. Aber zumindest gelingt es dir schon beim ersten Versuch, deine Aufgabe zu erfüllen.«
    Rowan musste doch inzwischen aufgefallen sein, was er hier tat. Vielleicht war das Ganze nur ein Spiel. Womöglich würde sie irgendwann ihre Niederlage eingestehen und persönlich um eine Audienz bei ihm bitten. Diese Hoffnung ließ ihn weitermachen. Ohne sie hätte er vermutlich schon längst aus purer Langeweile nachgegeben und mit ihnen kooperiert.

    Am ersten Tag seiner Quarantäne hatte er eines der Gespenster um einen Traumerzeuger gebeten, doch sein Wunsch war abgelehnt worden. Es hieß, dass ein normaler Stoffwechsel im 24-Stunden-Rhythmus Bedingung für einen der Tests sei. Sie wollten nicht, dass sein Körper schummelte. Scanlon hatte tagelang nicht schlafen können. Dann war er schließlich achtundzwanzig Stunden lang in einen traumlosen Abgrund gefallen. Als er wieder aufgewacht war, hatte er am ganzen Körper Schmerzen gehabt von einer Reihe mikrochirurgischer Eingriffe, an die er sich nicht erinnern konnte.
    »Ihr seid ein paar ungeduldige Scheißkerle, was?«, murmelte er an den Teleoperator gewandt. »Könnt nicht einmal warten, bis ich wieder wach bin. Ich hoffe, es hat euch Spaß gemacht.« Er sprach leise, für den Fall, dass es irgendwelche Mikrofone im Raum gab. Keines der Gespenster, die auf dem Bildschirm des Rechners auftauchten, schien Ahnung von Psychologie zu haben. Es waren alles nur Physiologen und Technikfreaks. Wenn sie ihn dabei erwischten, wie er mit einer Maschine redete, kamen sie womöglich auf den Gedanken, er sei verrückt geworden.
    Inzwischen schlief er jeden Tag volle neun Stunden. Überraschende Übergriffe durch die Poltergeister kosteten ihn darüber hinaus noch eine Stunde. Mannschaftsberichte und IPD-Profile, von denen jedoch keines von der Station Beebe stammte, tauchten regelmäßig auf seinem Terminal auf, und ihre Analyse machte weitere vier bis fünf Stunden seines Tages aus.
    Den Rest der Zeit sah er fern.
    Dort draußen geschahen seltsame Dinge. Eine mysteriöse Unterwasserexplosion auf dem Mittelatlantischen Rücken, stark genug für eine Atombombe, auch wenn es dafür keine offizielle Bestätigung gab. Sowohl Israel als auch Tanaka-Krueger hatten vor Kurzem ihr Atomtestprogramm wieder aufgenommen, doch beide gaben an, nichts über die Explosion zu wissen. Es gab die

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