Abgrund: Roman (German Edition)
Beobachtungen?«
»Eigentlich …« Rowan hüstelte. »Sind sie nicht gänzlich überzeugt davon, dass Sie überhaupt irgendetwas beobachtet haben, das von Bedeutung sein könnte. Offenbar gab es Hinweise darauf, dass Sie den Bericht … nun ja, unter großer nervlicher Anspannung verfasst haben.«
Scanlon setzte ein sorgsam berechnetes Lächeln auf. »Jeder hat ein Recht auf seine Meinung.«
Rowan erwiderte nichts.
»Einen wahren Fachmann dürfte es allerdings nicht überraschen, dass es sich bei der Riftzone um eine Umgebung handelt, die nervliche Anspannung verursacht«, fuhr Scanlon fort. »Schließlich war das der Sinn des ganzen Programms.«
Rowan nickte. »Ich will Ihnen gern glauben, Doktor. Allerdings fehlt mir das nötige Hintergrundwissen, um zu entscheiden, wer von Ihnen recht hat.«
Was Sie nicht sagen, wollte Scanlon erwidern, doch er tat es nicht.
»Auf jeden Fall«, fügte Rowan hinzu, »sind Sie vor Ort gewesen und die anderen nicht.«
Scanlon beruhigte sich wieder. Natürlich würde sie seiner Meinung mehr Gewicht beimessen als denen der anderen Fachleute , wer immer die sein mochten. Schließlich war er derjenige, den sie ausgesucht hatte, sich in der Station umzusehen.
»Aber das spielt jetzt eigentlich keine Rolle mehr«, fuhr Rowan fort und schloss damit das Thema ab. »Ihre Quarantäne ist im Augenblick wichtiger.«
Nicht nur für Sie . Aber natürlich sprach er das nicht laut aus. Es wäre … unprofessionell, im Augenblick zu sehr um sein eigenes Wohlergehen besorgt zu erscheinen. Außerdem kümmerten sie sich hier drinnen sehr gut um ihn. Zumindest wusste er, was vor sich ging.
»… noch nicht«, schloss Rowan.
Scanlon blinzelte. »Wie bitte? Was haben Sie gesagt?«
»Ich sagte, aus offensichtlichen Gründen haben wir beschlossen, die Besatzung der Station Beebe noch nicht zurückzuholen.«
»Verstehe. Nun, da haben Sie aber Glück. Sie wollen die Station nämlich nicht verlassen.«
Rowan trat näher an die Membran heran. Ihre Augen verblassten im Licht. »Sind Sie ganz sicher?«
»Ja. Die Riftzone ist ihr Zuhause, Ms. Rowan. Das kann ein Laie natürlich niemals nachvollziehen. Sie fühlen sich dort unten lebendiger, als sie es an Land jemals gewesen sind.« Er zuckte die Achseln. »Und selbst wenn sie die Station verlassen wollten, was sollten sie schon tun? Schließlich können sie wohl kaum zum Festland zurückschwimmen.«
»Sie wären in der Lage dazu.«
»Wie bitte?«
»Es wäre möglich«, gab Rowan zu. »Jedenfalls theoretisch. Und wir … wir haben eine von ihnen dabei erwischt, wie sie sich absetzen wollte.«
»Was?«
»Oben, in der euphotischen Zone. Wir hatten ein U-Boot dort stationiert, um … nun ja, um die Situation im Auge zu behalten. Eine der Rifter … Cracker, oder so …« Ein leuchtender Strich wanderte über Rowans Augen. »Ach ja, Caraco hieß sie. Judy Caraco. Sie befand sich auf dem Weg zur Oberfläche. Die Besatzung des U-Boots war der Meinung, sie wollte fliehen.«
Scanlon schüttelte den Kopf. »Caraco schwimmt Runden zu Trainingszwecken, Ms. Rowan. Das stand in meinem Bericht.«
»Ich weiß. Vielleicht hätten noch mehr Leute Ihren Bericht lesen sollen. Allerdings haben Caracos Runden sie noch nie so weit an die Oberfläche geführt. Ich kann verstehen, warum die Besatzung …« Rowan schüttelte den Kopf. »Jedenfalls haben sie Caraco in Gewahrsam genommen. Vielleicht ist das ein Fehler gewesen.« Ein schwaches Lächeln. »So etwas kommt gelegentlich vor.«
»Verstehe«, sagte Scanlon.
»Jetzt haben wir also ein Problem«, fuhr Rowan fort. »Die Besatzung von Beebe ist möglicherweise der Meinung, Caraco hätte einen Unfall erlitten. Vielleicht haben sie aber auch Verdacht geschöpft. Sollen wir die Sache also auf sich beruhen lassen, in der Hoffnung, dass sich die Lage wieder beruhigt? Oder werden sie versuchen zu fliehen, wenn sie glauben, dass wir ihnen etwas verheimlichen? Werden eventuell ein paar von ihnen die Station verlassen und andere dort bleiben? Handeln sie als Gruppe oder trifft jeder seine eigenen Entscheidungen?«
Sie verstummte.
»Eine Menge Fragen«, sagte Scanlon nach einer Weile.
»Also gut. Hier ist nur eine: Wenn sie den direkten Befehl erhalten, in der Riftzone zu bleiben, würden sie ihn befolgen?«
»Möglicherweise bleiben sie in der Riftzone«, sagte Scanlon, »aber nicht, weil Sie ihnen das befehlen.«
»Wir haben überlegt, dass wir vielleicht über Lenie Clarke etwas erreichen könnten«, sagte Rowan.
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