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Abgrund: Roman (German Edition)

Abgrund: Roman (German Edition)

Titel: Abgrund: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Watts
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noch tiefer in Gedanken versunken. Danach legt es allerdings erst einmal eine kleine Pause ein.« Tatsächlich dauert der Ruhezustand beinahe dreißig Sekunden unverändert an.
    »Und dann …«
    Die Linie steigt fast bis zum obersten Ende der Skala und beginnt dort zu fluktuieren. »Jetzt platzt ihm beinahe eine Ader. Das geht eine Weile so weiter, bis es schließlich …«
    Die Linie fällt senkrecht ab.
    »… direkt in den Ruhezustand zurückkehrt. Danach ist ein wenig Lärm zu hören – ich glaube, es speichert seine Ergebnisse ab oder aktualisiert seine Dateien oder etwas in der Art –, und das Ganze beginnt wieder von vorn.« Brander lehnt sich in seinem Stuhl zurück und betrachtet die anderen, die Hände hinter dem Kopf verschränkt. »Das ist alles, was es getan hat, seit wir es beobachten. Der gesamte Durchgang dauert etwa fünfzehn Minuten.«
    »Ist das tatsächlich alles?«, fragt Lubin.
    »Es gibt ein paar interessante Abweichungen, aber das ist das Grundmuster.«
    »Also, was bedeutet das?«, fragt Clarke.
    Brander beugt sich wieder zum Bildschirm vor. »Stellen Sie sich vor, Sie wären ein Erdbeben, das hier in der Riftzone beginnt und sich dann nach Osten fortsetzt. Raten Sie einmal, wie viele Verwerfungen Sie überwinden müssten, um zum Festland zu gelangen.«
    Lubin nickt, ohne etwas zu sagen.
    Clarke mustert das Diagramm und vermutet: Fünf .
    Nakata blinzelt nicht einmal, aber sie hat ohnehin seit Tagen schon kaum etwas gesagt.
    Brander deutet auf den ersten Anstieg der Linie. »Hier sind wir. Die Channer-Quelle.« Dann auf den zweiten: »Juan de Fuca. Das Koaxialsegment.« Den dritten: »Juan de Fuca. Das Endeavour-Segment.« Den vierten: »Der Beltz’sche Mikroriss.« Und den letzten und größten: »Die Cascadia-Subduktionszone.«
    Er wartet auf eine Reaktion. Niemand sagt etwas. Von draußen ist ganz schwach das Heulen einer trauernden Windharfe zu hören.
    »Verdammt noch mal. Hören Sie, eine Simulation erfordert dann die höchste Rechenkapazität, wenn die Anzahl der möglichen Resultate am größten ist. Wenn ein Erdbeben eine Verwerfung überwindet, erzeugt es zusätzliche Schwingungen, die sich lotrecht zu seiner Hauptausbreitungsrichtung fortsetzen. Deshalb ist an diesen Punkten nur äußerst schwer zu berechnen, wie der Prozess verlaufen wird.«
    Clarke starrt auf den Bildschirm. »Sind Sie sich dessen ganz sicher?«
    »Verdammt, Len, meine Berechnungen beruhen auf dem, was wir zufällig von einem Klumpen Nervengewebe aufgeschnappt haben. Natürlich bin ich mir nicht sicher. Aber so viel kann ich Ihnen sagen: Wenn man davon ausgeht, dass der erste Anstieg das ursprüngliche Beben darstellt und am Ende der ganzen Sequenz das Festland steht, und wenn man außerdem voraussetzt, dass sich das Beben mit relativ gleichbleibender Geschwindigkeit ausbreitet, dann tauchen diese Messspitzen zwischendurch genau an den Stellen auf, wo sich Cobb, Beltz und Cascadia befinden. Ich glaube nicht, dass das Zufall ist.«
    Clarke runzelt die Stirn. »Aber bedeutet das nicht, dass die Simulation in dem Moment endet, wenn das Beben N’AmPaz erreicht hat? Ich hätte gedacht, dass es dann erst richtig interessant wird.«
    Brander beißt sich auf die Unterlippe. »Das ist es ja gerade. Je geringer die Aktivität am Ende eines Durchgangs, desto länger scheint der Durchgang zu dauern.«
    Clarke wartet. Sie muss nicht erst fragen. Brander ist viel zu stolz auf sich, als dass er nicht weitersprechen würde.
    »Und wenn man davon ausgeht, dass das vorausberechnete Beben umso schwächer ausfällt, je geringer die Aktivität am Ende eines Durchgangs wird, dann verbringt das Käsehirn die meiste Zeit damit, über Beben nachzudenken, die die Küste möglichst wenig in Mitleidenschaft ziehen. Meistens endet der Durchgang jedoch, wenn das Beben auf die Küste trifft.«
    »Es gibt einen Grenzwert«, sagt Lubin.
    »Wie bitte?«
    »Sobald das vorausberechnete Beben einen bestimmten Grenzwert an der Küste überschreitet, wird die Simulation abgebrochen und neu gestartet. Die Verluste wären zu hoch. Es verbringt mehr Zeit damit, über schwächere Beben nachzudenken, doch bislang haben auch die alle zu hohe Verluste zur Folge gehabt.«
    Brander nickt bedächtig. »Ich frage mich, was das zu bedeuten hat.«
    »Ich kann es Ihnen sagen.« Lubins Stimme klingt noch ausdrucksloser als sonst. »Das Ding beschäftigt sich mit einer einzigen Frage.«
    »Und wie lautet die?«, fragt Clarke.
    »Lubin, Sie sind paranoid.«

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