Abgrund: Roman (German Edition)
bis auch die Zellen alle gestorben sind.
Sie blickt wieder zu der Maschinerie hinüber, die das Geschöpf umgebracht hat. »Zum Glück hat keiner von uns das Ding berührt«, sagt sie mit surrender Stimme.
»Ich habe mich von Anfang an davon ferngehalten. Lubin hat zwar gesagt, dass die Strahlung nicht stark genug ist, um gefährlich zu sein, aber trotzdem …«
»Ich habe die Empfindungen des Gels gespürt, als es passiert ist«, sagt sie. »Ich glaube nicht, dass es …«
»Das Gel bemerkt nie etwas davon. Ich bin mir ziemlich sicher, dass es nicht mit dem Abwehrsystem verbunden ist.« Brander blickt zu der Metallkonstruktion hoch. »Nein, unser Käsehirn ist mit wichtigeren Dingen beschäftigt, als dass es seine Zeit darauf verschwenden könnte, sich über irgendwelche Fische Gedanken zu machen.«
Sie schaut ihn an. »Sie wissen, worum es sich dabei handelt, nicht wahr?«
»Möglicherweise. Ich bin mir nicht ganz sicher.«
»Nun?«
»Ich habe gesagt, ich bin mir nicht sicher. Aber ich habe da so eine Idee.«
»Kommen Sie schon, Mike. Wenn Sie eine Idee haben, dann nur deshalb, weil wir die letzten zwei Wochen hier draußen waren und das Ding beobachtet haben. Also, spucken Sie’s aus.«
Er schwebt über ihr und blickt auf sie herab. »Also gut«, sagt er schließlich. »Lassen Sie mich nur erst einmal die Daten auswerten, die Sie heute gesammelt haben, und sie mit dem Rest vergleichen. Wenn sich mein Verdacht dann bestätigt …«
»Wird aber auch Zeit.« Clarke holt ihren Tintenfisch vom Meeresboden hoch und drückt auf den Gashebel. »Gut.«
Brander schüttelt den Kopf. »Das glaube ich nicht. Es ist ganz und gar nicht gut.«
»Also. Intelligente Gele besitzen die Fähigkeit, mit raschen Veränderungen im Gelände klarzukommen, richtig?«
Brander sitzt in der Bibliothek. Vor ihm auf einem der Flachbildschirme läuft immer wieder dieselbe Bildfolge ab. Clarke, Lubin und Nakata haben ebenfalls den Blick auf ihre Bildschirme gerichtet.
»Es gibt zwei Möglichkeiten, wie sich das Gelände rasch verändern kann«, fährt Brander fort. »Zum einen, wenn man sich mit großer Geschwindigkeit durch eine komplexe Umgebung bewegt. Deshalb kommen Gele heutzutage auch in Schlammwühlern und ATVs zum Einsatz. Oder aber man rührt sich selbst nicht von der Stelle und wartet stattdessen darauf, dass sich die Umgebung um einen herum verändert.«
Er blickt sich um. Niemand sagt etwas. »Nun?«
»Es beschäftigt sich also mit Erdbeben«, stellt Lubin fest. »Das hat uns die NB auch schon gesagt.«
Brander wendet sich wieder der Konsole zu. »Nicht nur mit Erdbeben im Allgemeinen«, sagt er und seine Stimme hat plötzlich einen scharfen Tonfall angenommen, »sondern mit einem bestimmten Erdbeben. Immer und immer wieder.«
Er berührt ein Icon auf dem Bildschirm. Die Anzeige verwandelt sich in ein Diagramm mit einer x- und einer y -Achse. Neben den Linien leuchtet eine smaragdgrüne Schrift auf. Clarke beugt sich vor: An der Abszisse steht ZEIT und an der Ordinate AKTIVITÄT.
Eine Linie beginnt sich von links nach rechts über die Anzeige zu schlängeln.
»Das ist eine grafische Darstellung der ungefähren Durchschnittswerte, die wir bei unseren Beobachtungen des Dings ermittelt haben«, erklärt Brander. »Ich habe versucht, die y -Achse in Einheiten zu unterteilen, aber wir können lediglich feststellen, wann das Ding ›besonders angestrengt nachdenkt‹ oder sich wieder ›etwas entspannt‹. Es handelt sich hierbei also um reine Schätzwerte. Was Sie gerade sehen, ist die Aktivität im Ruhezustand.«
Plötzlich steigt die Linie sprungartig auf etwa ein Viertel der Skala an und flacht dort wieder ab.
»Hier fängt es an, über etwas nachzudenken. Allerdings konnte ich das nicht mit tatsächlichen Ereignissen, wie etwa einem Beben in der Gegend, in Verbindung bringen. Es scheint einfach von selbst anzufangen. Ich glaube, es handelt sich um eine in seinem Innern erzeugte Schleife.«
»Eine Simulation«, knurrt Lubin.
»Es denkt also eine Weile nach«, fährt Brander fort, ohne auf Lubin zu achten, »und voilà …« Ein weiterer Sprung aufwärts, diesmal bis zur Hälfte der y -Achse. Eine Zeitlang bleibt die Linie auf der neuen Höhe, sinkt dann ein wenig ab und klettert schließlich wieder nach oben. »Hier fängt es an, angestrengt nachzudenken, entspannt sich dann wieder und beginnt, noch angestrengter nachzudenken.« Ein weiterer kleiner Anstieg, gefolgt von einem erneuten Absinken. »Jetzt ist es
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