Abgrund: Roman (German Edition)
bedeuten.«
»Vielleicht ist es ein Gerät mit geringer Reichweite«, vermutet Nakata hoffnungsvoll. »Es ist recht weit von uns entfernt, und das Wasser würde möglicherweise eine Druckwelle abdämpfen, bevor sie uns erreicht.«
»Nein«, sagt Lubin.
»Aber wir wissen nicht …«
»Alice«, sagt Brander, »Cascadia ist beinahe zweihundert Kilometer von uns entfernt. Wenn dieses Ding Druckwellen erzeugen kann, die stark genug sind, um aus dieser Entfernung die Platte in Bewegung zu setzen, werden wir das in der Station nicht überstehen können. Möglicherweise explodieren wir nicht, aber die Druckwelle würde uns in Stücke reißen.«
»Vielleicht können wir es irgendwie entschärfen«, sagt Clarke.
»Nein«, erwidert Lubin mit Nachdruck.
»Warum nicht?«, fragt Brander.
»Selbst wenn wir sein Abwehrsystem überwinden können, sehen wir nur den oberirdischen Teil der Konstruktion. Die wichtigen Systeme befinden sich alle unter der Erde.«
»Wenn wir in den oberirdischen Teil hineingelangen könnten, können wir uns vielleicht Zugang zu …«
»Es besteht die Möglichkeit, dass das Ding darauf programmiert wurde, sich mit einer abgeschwächten Detonation selbst zu zerstören, wenn sich jemand daran zu schaffen macht«, sagt Lubin. »Und es gibt noch weitere seiner Art, die wir noch nicht gefunden haben.«
Brander blickt auf. »Woher wissen Sie das?«
»Es muss so sein. Um in dieser Tiefe eine Blase von etwa einem halben Kilometer Durchmesser zu erzeugen, braucht man ungefähr dreihundert Megatonnen. Wenn sie auch nur einen Bruchteil der Quelle zerstören wollen, benötigen sie dafür mehrere, weit verteilte Sprengsätze.«
Einen Moment lang herrscht Schweigen.
»Dreihundert Megatonnen«, wiederholt Brander schließlich. »Sie können sich gar nicht vorstellen, wie sehr es mich beunruhigt, dass Sie solche Dinge wissen.«
Lubin zuckt die Achseln. »Simple Physik. Jemanden, der einigermaßen rechnen kann, dürfte das nicht beeindrucken.«
Brander ist wieder aufgestanden, das Gesicht nur wenige Zentimeter von Lubins entfernt.
»Und von Ihnen habe ich auch langsam die Nase voll, Lubin«, sagt er mit zusammengebissenen Zähnen. »Wer, zum Teufel, sind Sie eigentlich?«
»Mike«, setzt Clarke an.
»Nein, ich meine es, verdammt noch mal, ernst. Wir wissen nicht das Geringste über Sie, Lubin. Wir können Sie draußen nicht spüren, wir erzählen den Landratten Ihre blödsinnige Geschichte, und Sie haben uns immer noch nicht den Grund dafür genannt. Und jetzt tönen Sie herum wie ein verfluchter Geheimagent. Wenn Sie hier das Kommando haben wollen, dann sagen Sie es einfach. Aber lassen Sie uns mit dieser verdammten ›Mannohne-Namen‹-Nummer in Ruhe.«
Clarke tritt einen kleinen Schritt zurück. Also gut. Wenn er glaubt, sich mit Lubin anlegen zu können, dann ist das seine Sache.
Doch Lubin zeigt keine der typischen Anzeichen. Weder seine Haltung noch seine Atmung verändern sich, und seine Hände hängen weiterhin locker herab. Als er schließlich antwortet klingt seine Stimme ruhig und beherrscht. »Wenn Sie sich dann besser fühlen, bitte sehr, rufen Sie bei denen oben an und erzählen Sie ihnen, dass ich immer noch am Leben bin. Sagen Sie ihnen, dass Sie sie angelogen haben. Wenn sie …«
Seine Augen verändern sich nicht. Der ausdruckslose weiße Blick bleibt völlig gleich, doch die Haut um seine Augen herum beginnt plötzlich zu zucken. Und jetzt kann Clarke die Anzeichen erkennen: wie er sich vorbeugt, wie die Adern und Sehnen an seinem Hals sich ein wenig anspannen. Brander hat es ebenfalls bemerkt. Er erstarrt wie ein Hund, der von einem Scheinwerfer erfasst wird.
Mist, Mist, Mist, er wird in die Luft gehen …
Doch wieder irrt sie sich. Überraschenderweise entspannt sich Lubin. »Und was Ihren rührenden Wunsch angeht, mich besser kennenzulernen« – er legt Brander beiläufig die Hand auf die Schulter –, »Sie können von Glück reden, dass Ihnen das bisher erspart geblieben ist.«
Lubin lässt die Hand sinken und geht zur Leiter hinüber. »Was immer Sie für einen Entschluss fassen, ich werde mitmachen, solange es nichts damit zu tun hat, an einer Atombombe herumzubasteln. In der Zwischenzeit gehe ich nach draußen. Hier drinnen wird es mir ein wenig zu eng.«
Er steigt nach unten. Die anderen rühren sich nicht. Das Geräusch der Luftschleuse, die sich mit Wasser füllt, scheint dieses Mal besonders laut zu sein.
»Verdammt, Mike.« Lenie holt endlich wieder Luft.
»Seit
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