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Abgrund: Roman (German Edition)

Abgrund: Roman (German Edition)

Titel: Abgrund: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Watts
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wirklich leid.«
    Dann sah sie wieder hoch und sagte: »In Ordnung.«

    Die Verbindung herzustellen, dauerte nur wenige Minuten.
    Patricia Rowan schritt auf ihrer Seite der Barriere auf und ab und murmelte dabei leise in ein Mikrofon. Yves Scanlon saß zusammengesunken auf seinem Stuhl und beobachtete sie. Selbst wenn ihr Gesicht in den Schatten verschwand, konnte er immer noch ihre Kontaktlinsen sehen, die von Informationen glitzerten.
    »Wir sind so weit«, sagte sie schließlich. »Natürlich werden Sie es nicht programmieren können.«
    »Klar.«
    »Und es wird Ihnen nichts erzählen, das der Geheimhaltung unterliegt.«
    »Ich werde es auch nicht darum bitten.«
    »Was für eine Frage wollen Sie ihm eigentlich stellen?«, erkundigte sich Rowan.
    »Ich werde es fragen, wie es sich fühlt«, sagte Scanlon. »Wie nennen Sie es?«
    »Wie wir es nennen?«
    »Ja. Wie lautet sein Name?«
    »Es hat keinen Namen. Sprechen Sie es einfach mit Gel an.« Rowan zögerte einen Moment und fügte dann hinzu: »Wir wollten ihm keine menschlichen Züge verleihen.«
    »Gute Idee. Das ist besser für den Weltfrieden, nicht wahr?« Scanlon schüttelte den Kopf. »Wie stelle ich die Verbindung her?«
    Rowan deutete auf einen der Touchscreens, die in den Konferenztisch eingelassen waren. »Aktivieren Sie einfach eines der Eingabefelder.«
    Er streckte die Hand aus und berührte den Bildschirm. »Hallo.«
    »Hallo«, erwiderte der Tisch. Er hatte eine merkwürdige Stimme, die beinahe androgyn klang.
    »Ich bin Dr. Scanlon. Ich würde dir gern ein paar Fragen stellen, wenn dir das recht ist.«
    »Kein Problem«, sagte das Gel nach kurzem Zögern.
    »Ich möchte dich fragen, wie du dich bei bestimmten Aspekten deines … nun ja, deines Jobs fühlst.«
    »Ich fühle nicht«, sagte das Gel.
    »Natürlich nicht. Aber etwas motiviert dich, so wie wir von Gefühlen motiviert werden. Was glaubst du, was das ist?«
    »Wen meinen Sie mit ›wir‹?«
    »Die Menschen.«
    »Ich wiederhole in erster Linie Verhalten, das sich als vorteilhaft erwiesen hat«, sagte das Gel nach einer Weile.
    »Aber was motiviert … Nein, ignoriere das. Was ist dir besonders wichtig?«
    »Vorteilhaftigkeit.«
    »Also gut«, sagte Scanlon. »Fühlst du dich besser bei vorteilhaftem Verhalten oder bei unvorteilhaftem Verhalten?«
    Das Gel schwieg einen Moment lang. »Verstehe die Frage nicht.«
    »Welches von beidem gefällt dir besser?«
    »Keines von beidem. Keine besonderen Vorlieben. Habe ich doch schon gesagt.«
    Scanlon runzelte die Stirn. Warum hat es seine Ausdrucksweise verändert?
    »Und dennoch wiederholst du in erster Linie Verhalten, das sich in der Vergangenheit als vorteilhaft erwiesen hat«, hakte er nach.
    Das Gel antwortete nicht. Rowan, auf der anderen Seite der Barriere, setzte sich. Ihr Gesichtsausdruck war nicht zu deuten.
    »Stimmst du mit meiner Aussage überein?«, fragte Scanlon.
    »Klar«, antwortete das Gel gedehnt, während seine Stimme einen maskulinen Ton annahm.
    »Du ziehst also bestimmte Formen von Verhalten vor, obwohl du angeblich keine besonderen Vorlieben besitzt.«
    »Hm-mh.«
    Nicht schlecht. Es hat herausgefunden, wann ich eine Bestätigung für eine Aussage möchte. »Das erscheint mir ein wenig paradox«, fuhr Scanlon fort.
    »Ich glaube, das ist auf die Unzulänglichkeit der gesprochenen Sprache zurückzuführen.« Dieses Mal klang das Gel beinahe wie Rowan.
    »Tatsächlich.«
    »He«, sagte das Gel. »Ich könnte es Ihnen erklären, wenn Sie wollen. Aber wahrscheinlich sind Sie dann eingeschnappt.«
    Scanlon warf Rowan einen Blick zu. Rowan zuckte die Achseln. »Das kommt immer wieder vor. Es greift Teile der Sprachmuster verschiedener Menschen auf und vermischt sie, während es spricht. Wir wissen nicht genau, warum.«
    »Haben Sie nie danach gefragt?«
    »Möglicherweise hat das jemand einmal getan«, gab Rowan zu.
    Scanlon wandte sich wieder dem Tisch zu. »Eine interessante Vermutung, Gel. Bitte erkläre mir, wie du eine Handlung einer anderen vorziehen kannst, ohne Vorlieben zu besitzen.«
    »Kein Problem. Der Begriff Vorliebe beschreibt die Tendenz … bestimmte Handlungen zu vollziehen, die emotionalen Gewinn versprechen. Da es mir an den Rezeptoren und chemischen Verbindungen mangelt, die für das Empfinden von Emotionen notwendig sind, kann ich keine Vorlieben besitzen. Doch es gibt zahlreiche Beispiele von Vorgängen, die ein bestimmtes Verhalten als vorteilhaft erscheinen lassen und die zugleich keine … bewusste

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