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Abgrund: Roman (German Edition)

Abgrund: Roman (German Edition)

Titel: Abgrund: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Watts
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irgendeines kaltblütigen Tests …«
    »Und Sie stehen kurz davor durchzufallen«, sagt Clarke leise. »Ich verstehe.«
    »Sie benutzen uns, Lenie … Gehen Sie nicht dort raus! «
    Ballards Finger klammern sich an Clarke wie die Saugnäpfe eines Tintenfischs. Clarke stößt sie weg. Sie entriegelt die Luke und schiebt sie auf. Sie hört Ballard hinter sich aufstehen.
    »Sie sind krank!«, schreit Ballard. Etwas kracht gegen Clarkes Hinterkopf. Sie stürzt in den Korridor hinaus zu Boden. Im Fallen schlägt einer ihrer Arme schmerzhaft gegen ein Bündel von Rohren.
    Sie rollt sich herum und hebt abwehrend die Hände. Aber Ballard steigt nur über sie hinweg und geht zum Aufenthaltsraum.
    Ich habe keine Angst, stellt Clarke fest, während sie sich aufrappelt. Sie hat mich geschlagen, und ich habe keine Angst. Ist das nicht seltsam …
    Irgendwo in der Nähe ist das Geräusch von zerspringendem Glas zu hören.
    Im Aufenthaltsraum brüllt Ballard: »Das Experiment ist vorbei! Kommt heraus, ihr verfluchten Leichenfledderer!«
    Clarke geht den Korridor entlang auf sie zu. Bruchstücke des Spiegels im Aufenthaltsraum hängen immer noch in ihrem Rahmen wie gezackte Stalaktiten. Der Boden ist mit Glasspritzern übersät.
    An der Wand hinter dem zerbrochenen Spiegel befindet sich ein Weitwinkelobjektiv, das jede Ecke des Raums erfasst.
    Ballard blickt direkt in das Objektiv. »Habt ihr mich gehört? Ich werde eure blöden Spiele nicht mehr mitmachen! Ich habe keine Lust mehr, euch etwas vorzugaukeln!«
    Die Quarzitlinse blickt teilnahmslos zurück.
    Sie hatten also recht, grübelt Clarke. Sie erinnert sich an das Laken in Ballards Kabine. Sie haben es herausgefunden, haben die Mikrofone in Ihrer Kabine entdeckt, und Ballard, meine Liebe, Sie haben es mir nicht gesagt.
    Wie lange wussten Sie schon davon?
    Ballard dreht sich um und bemerkt Clarke. »Sie konntet ihr an der Nase herumführen«, knurrt sie an die Linse gewandt, »aber sie hat ja auch nicht mehr alle Tassen im Schrank! Sie ist komplett verrückt! Mich könnt ihr mit euren kleinen Tests nicht beeindrucken!«
    Clarke geht auf sie zu.
    »Nennen Sie mich nicht verrückt«, sagt sie mit völlig ausdrucksloser Stimme.
    »Aber genau das sind Sie!«, schreit Ballard. »Sie sind krank! Deshalb sind Sie auch hier unten! Die brauchen eine Kranke wie Sie, die sind abhängig von Ihnen, und Sie sind schon so kaputt, dass Sie das nicht einmal mehr bemerken! Sie verstecken sich hinter dieser … dieser Maske, sitzen da wie eine masochistische Qualle und lassen sich alles gefallen … Sie fordern es geradezu heraus …«
    Früher war das tatsächlich so, stellt Clarke fest, als sich ihre Hände zu Fäusten ballen. Das ist das Seltsame daran . Ballard weicht vor ihr zurück, während Clarke Schritt für Schritt auf sie zugeht. Erst als ich hier heruntergekommen bin, habe ich gelernt, dass ich mich wehren kann. Dass ich gewinnen kann. Die Riftzone hat mich das gelehrt und nun auch Ballard …
    »Ich danke Ihnen«, flüstert Clarke, holt aus und versetzt Ballard einen Faustschlag ins Gesicht.
    Ballard stürzt nach hinten und prallt gegen den Tisch. Gelassen macht Clarke einen Schritt nach vorn. Sie erhascht einen kurzen Blick auf ihr Spiegelbild in einem der gläsernen Eiszapfen; ihre Augen mit den Kappen scheinen beinahe zu leuchten.
    »Oh Mann«, wimmert Ballard. »Lenie, es tut mir leid.«
    Clarke steht über ihr. »Das muss es nicht«, sagt sie. Sie sieht sich selbst wie eine explodierende schematische Darstellung, deren Einzelteile ordentlich beschriftet sind. Hier drinnen ist so viel Wut, denkt sie. So viel Hass. So viel, das man an jemandem auslassen könnte .
    Sie blickt auf Ballard hinab, die am Boden kauert.
    »Ich glaube«, sagt Clarke, »ich fange mit Ihnen an.«
    Doch ihre Therapie endet, bevor sie richtig warm werden kann. Der Aufenthaltsraum ist plötzlich von einem schrillen Geräusch erfüllt, das in regelmäßigen Abständen wiederkehrt und vage vertraut klingt. Clarke braucht eine Weile, ehe ihr einfällt, worum es sich dabei handelt. Sie senkt den Fuß.
    In der Kommunikationszentrale klingelt das Telefon.

    Jeanette Ballard fährt heute nach Hause.
    Eine halbe Stunde lang ist das U-Boot immer tiefer in die Dunkelheit herabgesunken. Jetzt zeigt der Monitor in der Kommunikationszentrale, wie es einer riesigen aufgedunsenen Kaulquappe gleich an der Station andockt. Die Geräusche der mechanischen Kopulation hallen durch die Station und ersterben schließlich. Die

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