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Abgrund: Roman (German Edition)

Abgrund: Roman (German Edition)

Titel: Abgrund: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Watts
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Luke in der Decke klappt auf.
    Ballards Ersatz kommt heruntergestiegen. Sein Körper steckt fast vollständig in einer Taucherhaut, und er starrt Clarke aus undurchdringlichen Augen ohne Pupillen an. Er trägt keine Handschuhe, und die Taucherhaut ist an den Unterarmen geöffnet. Clarke sieht die blassen Narben an seinen Handgelenken und lächelt insgeheim.
    Stand dort oben womöglich schon eine weitere Ballard bereit, fragt sie sich, für den Fall, dass ich versagt hätte?
    Den Korridor hinunter, außer Sichtweite, öffnet sich zischend eine Luke. Ballard erscheint in Hemdsärmeln, ein Auge zugeschwollen, in der Hand einen einzelnen Koffer. Sie will etwas sagen, hält jedoch inne, als sie den Neuankömmling bemerkt. Sie betrachtet ihn einen Moment lang und nickt dann knapp. Ohne ein Wort steigt sie in das U-Boot.
    Niemand ruft etwas zu ihnen hinunter. Es gibt keine Begrüßungen, keine aufmunternden Worte. Vielleicht hat die Mannschaft des U-Boots besondere Anweisungen erhalten oder sich ihre eigenen Gedanken gemacht. Die Deckenluke schließt sich wieder. Mit einem klirrenden Geräusch koppelt das U-Boot von der Andockvorrichtung ab.
    Clarke geht durch den Aufenthaltsraum und blickt in die Kamera. Sie greift zwischen die Bruchstücke des Spiegels und reißt das Netzkabel aus der Wand.
    Die brauchen wir jetzt nicht mehr, denkt sie und weiß, dass ihr irgendwo in weiter Ferne jemand zustimmt.
    Sie und der Neuankömmling mustern einander mit toten weißen Augen.
    »Ich bin Lubin«, sagt er schließlich.

Hausputz
    Also gut. Es heißt, Sie seien ein Schlägertyp .
    Lubin steht vor ihr, den Seesack zu seinen Füßen. Er ist slawischer Abstammung, hat dunkles Haar und blasse Haut und ein Gesicht, das aussieht, als hätte es ein ungeschickter Handwerker aus einem Stück Holz geschnitzt. Eine einzige wulstige Augenbraue zieht sich über beide Augen hin. Er ist nicht groß – höchstens eins achtzig –, dafür aber kräftig.
    Sie sehen aus wie ein Schläger.
    Er trägt Narben. Nicht nur an den Handgelenken, sondern auch im Gesicht. Sie sind nur ganz schwach zu erkennen, ein Spinnennetz, das an alte Verletzungen erinnert. Zu schwach, als dass es sich um absichtliche Verzierungen handeln könnte. Sollte Lubin denn derartige Vorlieben besitzen? Aber sie stechen auch zu deutlich hervor, um verheilte Narben zu sein. Die Medizintechnik ist schon seit Jahrzehnten in der Lage, solche verräterischen Zeichen zu vermeiden.
    Es sei denn … es sei denn, die Verletzungen sind wirklich schlimm.
    Ist es das? Hat vor langer Zeit etwas Ihr Gesicht bis auf den Knochen zerbissen?
    Lubin beugt sich vor und greift nach seinem Seesack. Seine verhüllten Augen verraten nichts.
    Ich habe in meinem Leben schon einige Schlägertypen kennengelernt. Die Beschreibung passt auf Sie. Jedenfalls größtenteils.
    »Soll ich irgendeine bestimmte Kabine nehmen?«, fragt er. Es ist seltsam, eine solche Stimme aus einem Gesicht wie dem seinen zu vernehmen. Sie klingt beinahe angenehm.
    Clarke schüttelt den Kopf. »Ich habe die zweite Kabine auf der rechten Seite. Sie können sich eine der anderen aussuchen.«
    Er geht an ihr vorbei. Dolche aus spiegelndem Glas ragen aus der Deckenkante der gegenüberliegenden Wand. Sie zeigen Bruchstücke von Lubin, während er hinter Clarke im Korridor verschwindet. Sie geht durch den Aufenthaltsraum auf die zersplitterte Wand zu. Ich sollte hier wirklich mal aufräumen …
    Die Spiegel haben ihr besser gefallen, seit Ballard sie ein wenig umgestaltet hat. Die bruchstückhaften Reflektionen kamen ihr irgendwie kreativer vor. Impressionistischer. Jetzt beginnen sie ihr allerdings auf den Geist zu gehen. Vielleicht wird es Zeit für eine neue Veränderung.
    Ein Stück von Ken Lubin blickt sie von der Wand aus an. Ohne nachzudenken, schlägt sie mit der Faust in das Glas. Bruchstücke klirren zu Boden.
    Vielleicht sind Sie tatsächlich ein Schlägertyp. Versuchen Sie es nur. Wenn Sie sich trauen.
    »Oh«, sagt Lubin hinter ihr. »Ich …«
    Es ist immer noch genug vom Spiegel übrig, dass Clarke einen Blick auf ihr Spiegelbild werfen kann. Ihr Gesicht ist völlig ausdruckslos. Sie dreht sich zu ihm um.
    »Es tut mir leid, wenn ich Sie erschreckt habe«, sagt Lubin ruhig und zieht sich zurück.
    Es scheint ihm tatsächlich leidzutun.
    Sie sind also doch kein Schlägertyp . Clarke lehnt sich an das Schott. Zumindest nicht die Art, die ich bevorzuge . Sie ist sich nicht sicher, woher sie das weiß. Zwischen ihnen stimmt einfach

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