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Abgrund: Roman (German Edition)

Abgrund: Roman (German Edition)

Titel: Abgrund: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Watts
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Verbesserung wäre?«
    Sie antwortet nicht.
    »Es geht nur um Aktionspotenziale«, sagt er. »Deine Nerven müssen erst eine bestimmte Ladung aufbauen, ehe sie einen Impuls abgeben können …«
    »Und in dieser Tiefe würden sie immerzu nur Impulse abgeben. Karl, bitte …«
    »Psst.« Er legt ihr sanft den Finger auf die Lippen, doch sie schiebt ihn fort. Plötzlich ist sie wütend.
    »Ich meine es ernst, Karl. Ohne diese Drogen würden deine Nervenverbindungen einen Kurzschluss erleiden. Du würdest ausbrennen, ich weiß es …«
    »Du weißt nur, was sie dir erzählt haben«, zischt er. »Warum versuchst du nicht einmal, eigene Erfahrungen zu machen?«
    Sie verstummt, seine Zurechtweisung hat sie verletzt. Eine Lücke öffnet sich zwischen ihnen auf der Pritsche.
    »Ich bin kein Idiot, Lenie«, sagt Acton etwas ruhiger. »Ich habe die Einstellungen nur ein bisschen heruntergeregelt. Um etwa fünf Prozent. Wenn ich jetzt hinausgehe, reagieren meine Nerven schon auf etwas schwächere Anreize, das ist alles. Man … man fühlt sich dadurch wacher, Len. Ich bin mir meiner Umgebung viel mehr bewusst und fühle mich irgendwie lebendiger.«
    Sie betrachtet ihn, ohne etwas zu sagen.
    »Natürlich erzählen sie dir, dass es gefährlich ist«, sagt er. »Sie fürchten sich auch so schon vor dir. Glaubst du, sie würden dir einen noch größeren Vorteil verschaffen wollen?«
    »Sie fürchten sich nicht vor uns, Karl.«
    »Das sollten sie aber.« Er legt ihr wieder den Arm um die Schulter. »Willst du es einmal versuchen?«
    Sie hat das Gefühl, als sei sie plötzlich wieder draußen und vollkommen nackt. »Nein.«
    »Es gibt keinen Grund zur Sorge, Len. Ich habe mich schon als Versuchskaninchen betätigt. Wenn du willst, kann ich die Anpassungen vornehmen. Es würde höchstens zehn Minuten dauern.«
    »Das will ich nicht, Karl. Jedenfalls noch nicht. Vielleicht kannst du ja einen der anderen davon überzeugen.«
    Er schüttelt den Kopf. »Sie vertrauen mir nicht.«
    »Das kannst du ihnen nicht verdenken.«
    »Das tue ich auch nicht.« Er grinst und entblößt Zähne, die genauso scharfkantig und weiß sind wie die Augenkappen. »Aber selbst wenn sie mir vertrauen würden, würden sie es nicht ohne deine Zustimmung tun.«
    Sie blickt ihn an. »Warum nicht?«
    »Du hast hier das Kommando, Len.«
    »Quatsch. Das haben sie dir bestimmt nicht gesagt.«
    »Das brauchten sie auch nicht. Es ist offensichtlich.«
    »Ich bin schon länger hier unten als die anderen. Und Lubin ebenfalls. Das spielt doch keine Rolle.«
    Acton runzelt kurz die Stirn. »Nein, das glaube ich auch nicht. Aber du bist trotzdem die Anführerin des Rudels, Len. Die Leitwölfin. Eine Akela.«
    Clarke schüttelt den Kopf. Sie durchforstet ihre Erinnerung nach etwas, irgendetwas, das Actons absurder Behauptung widersprechen würde. Doch ihr fällt nichts ein.
    Ihr wird ein wenig mulmig zumute.
    Er drückt sie erneut an sich. »Pech gehabt, meine Liebe. Die Rolle passt wohl nicht so gut, nachdem du dein ganzes Leben lang immer nur das Opfer gewesen bist, was?«
    Clarke blickt auf das Deck hinab.
    »Denk trotzdem mal drüber nach«, flüstert Acton ihr ins Ohr. »Ich garantiere dir, du wirst dich hinterher doppelt so lebendig fühlen.«
    »Das passiert sowieso«, erinnert ihn Clarke. »Wann immer ich nach draußen gehe. Dafür muss ich nicht an meinen Eingeweiden herumbasteln.« Jedenfalls nicht auf diese Weise .
    »Das ist etwas ganz anderes«, sagt Acton beharrlich.
    Lächelnd blickt sie ihn an und hofft, dass er nicht darauf besteht. Wie kann er erwarten, dass ich mich von ihm aufschneiden lasse?, wundert sie sich und fragt sich dann, ob sie es eines Tages womöglich doch tun wird, wenn die Angst, ihn zu verlieren, so stark geworden ist, dass dagegen alle anderen Ängste bedeutungslos erscheinen. Es wäre nicht das erste Mal.
    Doppelt so lebendig, hat Acton gesagt. Clarke verbirgt sich hinter ihrem Lächeln und denkt: Das Doppelte von meinem Leben. Keine besonders viel versprechende Aussicht.

    Hinter ihr brennt ein Licht und wirft ihren Schatten auf den Meeresboden. Sie kann sich nicht erinnern, wie lange es schon dort ist. Ein eisiger Schauer durchrieselt sie …
    … Fischer? …
    … doch dann setzt ihr Verstand wieder ein. Gerry Fischer würde keine Stirnlampe benutzen.
    »Lenie?«
    Sie dreht sich um die eigene Achse und sieht in einigen Metern Entfernung eine Silhouette schweben. Zyklopisches Licht strahlt von ihrer Stirn. Clarke hört ein unartikuliertes

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