Abitreff (German Edition)
dich wohl nicht
mit nach Deutschland genommen und hätte auch nicht die beste Entscheidung
meines Lebens getroffen, nämlich ja zu dir zu sagen.“
„Du! Ich liebe dich! Hab ich das heute schon gesagt?“
„Nein, aber das höre ich immer wieder gerne!“ Matthias trank einen
Schluck. „Aber wir sollten jetzt etwas aufräumen und wir müssen noch
einkaufen.“
„Wann musst du eigentlich los?“ Der Berber biss in seinen Toast.
„Laut Einladung fängt der Spaß schon um drei an, mit einer
Schulbesichtigung und anschließendem Kaffeetrinken, danach geht es ins Kurhaus
zur Zeugnisübergabe für den diesjährigen Abiturjahrgang. Die eigentliche
Veranstaltung fängt erst gegen sieben an.“ Matthias lachte. „Es reicht
vollkommen, wenn ich um 19:15 Uhr da aufschlage!“
„Und was machen wir bis dahin?“
Der Controller leckte sich lasziv die Lippen. „Wir könnten mal wieder
durch die Wüste reiten!“
„Du auf mir oder ich auf dir?“ Cihad klimperte mit den Wimpern.
„Wir auf uns, aber …“ Der Beamte zog die Schultern zusammen. „… dann
müsstest du den Einkauf wohl komplett alleine machen.“
„Damit hätte ich kein Problem, die Läden haben ja eh bis zehn auf.“
Bevor jedoch die gegenseitigen Wüstenexpeditionen unternommen werden
konnten, musste erst einmal die ganz profane Hausarbeit erledigt werden. Cihad
saugte Staub und schwang den Feudel, Matthias kümmerte sich derweil um die
Spülmaschine, den Müll und das Altpapier. Die Grünabfälle, die sein Gatte am
Vortag produziert hatte, mussten ja auch noch zur Kippe gebracht werden. Auf
dem Rückweg fuhr er zur Aral-Tankstelle, sein drei Jahre alter Opel Astra
Caravan hatte Durst und musste – nach vier Wochen – auch mal wieder gewaschen
werden.
Dort deckte sich der Beamte auch mit zwei Zigarren und einer Packung
Davidoff ein. Die Zigaretten brauchte er, der Gelegenheitsraucher, falls er
mehr als zwei Bier trinken würde, denn dann würde ihn die Sucht nach Nikotin –
wieder einmal – übermannen; er kannte sich ja. Und die Zigarren waren für den
Fall, dass Thomas Goldmann am heutigen Abend auftauchen würde, das alte Ritual
von damals sollte wiederholt werden.
Acht der 98 Abiturienten des Jahrgangs waren dem eigenen Geschlecht
zugeneigt, aber nur zwei, nämlich Thomas und er, zeigten diese Veranlagung auch
öffentlich. Auf dem Abiball, der damals noch nicht so vornehm ablief wie heute,
tauschten sie, nach dem Entzünden, die obligatorischen Zigarren, um dann
öffentlich am Inhalationsgerät des jeweils anderen zu nuckeln.
Cihad schüttete den Inhalt des Wischeimers in den Gulli, alle
wischbaren Böden des Hauses waren gereinigt, mussten nur noch trocknen. Auch
wenn die Haustür sperrangelweit offen stand, die Fliesen im Flur schimmerten
noch Nass. Sein Weg führte ihn daher durch den Garten. Der Poolbereich bedurfte
zwar keiner großartigen Reinigung, die Spuren der Rasur hatten sie direkt im
Anschluss daran beseitigt, aber die gebrauchten Gläser mussten noch abgeräumt
werden.
Er rückte gerade die Liegen wieder in ihre ursprüngliche Position, da
entdeckte er unter einer der Ganzkörperablagen ein ledernes Behältnis. Er griff
nach dem schwarzen Etwas, für ein Portemonnaie war es eindeutig zu dünn und es
gehörte weder Matthias noch ihm, also konnte nur Christopher der Eigentümer
sein. Er überlegte: Das Mäppchen musste dem angehenden Studenten wohl beim
etwas überhasteten Ausziehen aus der Tasche gerutscht und so unter die Liege
gekommen sein.
Neugier übermannte ihn. Der Student öffnete das Teil, es war eine Art
Sammelstelle für Scheckkarten und ähnliche Ausweispapiere. Im obersten Fach sah
er den Führerschein. Da er einen Faible für amtliche Bilder hatte, betrachtete
er das wenig schmeichelhafte Konterfei des Jünglings, der gestern zum Mann
wurde. Christopher Alexander Frankenberg.
Mit Schrecken fiel ihm auf, er hatte gar keine Nummer des potenziellen
Hausgenossen. Man hatte es schlicht und einfach vergessen, die Erreichbarkeiten
auszutauschen. Aber wozu gibt es Internet und Suchmaschinen? Auf Facebook
brauchte er keine Minute und das Profil des Noch-Dresdeners war auf dem Monitor
zu sehen. Er schickte ihm eine Nachricht mit seiner Telefonnummer und der Bitte
um dringenden Rückruf.
Aber Cihad ging mit seinen Suchüberlegungen noch einen Schritt weiter:
Wenn Christopher hier seine Großeltern besuchte, dann war die
Wahrscheinlichkeit mehr als gegeben,
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