Abitreff (German Edition)
junge Türke einen neuen Versuch
startete. „Zieh das Ding doch komplett aus und steig dann wieder in deine
Unterhose; ist erheblich einfacher!“
Entgeistert blickte ihn der Angesprochene an. „Das … das
geht nicht! Du würdest mich dann ja …“
„Keine Angst, du hast nichts, was ich nicht auch habe! Aber
keine Panik, ich bin jetzt sowieso einen Raum weiter, es wird dich also niemand
beobachten.“ Lächelnd deutete er auf die Tür zum Duschbereich und machte sich,
nur mit einem Handtuch über der Schulter und Badelatschen an den Füßen, auf in
Richtung Wasserberieselungsanlage. Es dauerte keine drei Minuten, dann war der
Platz neben dem Berber besetzt.
Als er sich den Schaum aus den Haaren gespült hatte, bekam
er fast einen Lachanfall. Cem stand, wie es sich für einen guten Muslim gehört,
in Unterhose neben ihm. Allerdings war das Stück Stoff, dass da seine
Körpermitte bedeckte, ziemlich knapp bemessen und durch das Wasser fast
transparent. „Du zeigst ja mehr als du verdeckst! Ob das in dieser Art korrekt
ist?“
Der Türke mit dem netten Gesicht zuckte erst kurz zusammen,
grinste dann aber. „Man soll seine Scham immer bedecken, sagt jedenfalls meine
Mutter. Aber über die Art der Bedeckung hat sie sich nie ausgelassen. Ihr Leute
aus dem Atlas seid da ja wohl etwas freizügiger, wie ich sehen kann.“
„Sorry, wie das in Marokko ist, kann ich dir auch nicht
genau sagen.“ Cihad zuckte entschuldigend mit den Schultern. „Meine Eltern
schickten mich mit sechs auf die amerikanische Schule in Casablanca, ins
Internat. Wir duschten nach dem Sport immer alle nackt, egal ob Christ, Jude
oder Moslem, egal ob Araber, Berber, Amerikaner, Brite oder Japaner; von daher
kenne ich es nicht anders.“
„Dann bist du also doch nicht der dumme Kameltreiber aus
der Wüste, für den dich alle anderen hier halten?“ Cem verteilte eine Portion
Shampoo in seinen Haaren. „Du hast ja kaum ein Wort mit uns Jungs gesprochen,
als du hier angefangen hast.“
Cihad verließ den eigentlichen Duschbereich und begann,
sich abzutrocknen. „Gesprochen habe ich nicht, weil ich da die Sprache noch
nicht konnte, ich musste Deutsch erst lernen.“
„Wie viele Sprachen kannst du denn?“ Neugierig blickte er
ihn an.
„Zu Hause sprachen wir entweder marokkanisches Arabisch
oder Tamazight mit den Leuten aus dem Dorf, in der Schule kamen dann Englisch
und Französisch dazu. Deutsch habe ich hier gelernt und jetzt, an der Uni,
mache ich noch einen Sprachkurs in Farsi, für Türkisch hatten sich zu wenig
Leute gemeldet.“ Das Handtuch lag mittlerweile wieder auf den Schultern.
„Boah ey, das ist echt eine Menge. Dann ist der ältere
Mann, mit dem du hier öfters auftauchst, wohl dein Deutschlehrer?“ Auch die
Dusche des Türken wurde jetzt abgestellt.
Der Student grinste leicht. „Matthias hat mir auch
Deutschunterricht gegeben, das stimmt.“
„Auch?“ Cem begann, sich ebenfalls trocken zu legen. „Was
denn noch?“
Cihad fuhr sich entnervt durch seine Haare. „Was willst du
denn genau von mir wissen?“
„Äh …“ Diese direkte Art der Ansprache verschreckte den
jungen Türken. „… also …“
„Also was?“ Die Augen des Berbers funkelten.
„Nun, man erzählt sich, dass du und … dieser Mann, dieser
Matthias, dass ihr … naja … du sollst …“ Verlegen schaute er sein Gegenüber an,
der Blick verharrte aber in der Körpermitte.
„Was soll ich denn bitteschön sein? Sein Lustsklave etwa,
den er sich auf dem Souk von Marrakesch für acht Kamele gekauft hat?“ Dem
Türken fehlten wohl noch immer die Worte, er starrte ihn weiter an und schwieg.
„Du kannst den anderen ruhig sagen, dass ich schwul bin und mit einem Mann –
nein – mit meinem Mann zusammenlebe. Ich bin alles, aber ganz gewiss nicht sein
Lustsklave!“
Cem verstand nur noch Bahnhof, denn mit einem Outing hatte
er nicht gerechnet. „Wie? Du bist mit ihm freiwillig zusammen? Er … er ist doch
so viel älter!“
„Wenn du es genau wissen willst, es sind 22 Jahre, aber das
Alter spielte nie eine Rolle. Matthias hat mir das Leben gerettet und mich
wieder aufgebaut, als ich total am Boden lag und nur noch sterben wollte; ich
habe Allah sogar um den Tod angefleht, die Schmerzen und Qualen, die ich meiner
Familie zu verdanken hatte, sollten endlich aufhören.“ Der Wüstensohn knallte
die Tür zum Duschraum zu.
Der Osmane beeilte sich, dem Berber zu
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