Abonji, Melinda Nadj
wir teilen uns die zweite Serviceschicht auf, arbeiten ansonsten im Buffet.
Und dein Studium, hat mich Mutter gefragt. Kann warten, eine Zeit lang.
Der Samstag ist normalerweise
der hübsche Tag mit der rosaroten Schleife und dem toll aufgeschäumten
Milchkaffee, so Nomi - aber heute ist nicht Samstag, sondern ein ganz normaler
Mittwoch, an dem der Turnverein bei uns Jubiläum feiert, ich also
Milchschaumberge fabriziere, hinter dem Buffet hantiere, ich, die übrigens eine
schwarz-weiss gestreifte Bluse trägt und einen Jupe, der mich zum Trippeln
zwingt. Ich sehe mir zu, ich, die in einer notwendigen Verkleidung bereitsteht,
zeige, dass ich eine geeignete Buffettochter bin, ich, der Kuckuck hinter der
Theke, glücklicherweise, denn im Service fühle ich mich vogelfrei, freie Sicht
auf sie, die ich bin, aber heute nicht, heute schützt die armeegrüne Theke
wenigstens den unteren Teil des Körpers, ja, ich bin jedes Mal froh, wenn ich
mit Nomi den Dienst tauschen kann, sie für mich im Service arbeitet.
Great, darling, sagt Glorija, um mich für
meine Arbeit auszuzeichnen, und wenn man wirklich great ist, kann man aus einem halben
Liter Milch, Luft und Dampf drei cremige Cappuccini-Schäume mixen. Zum
Abschluss bestäube ich die Milchschaumspitzen mit Schokoladepulver, und die
Bewegung meiner Hand, mit der ich die Bestäubungsaktion vornehme, muss leicht
und ruhig sein, sonst fallen die fragilen Berge in sich zusammen; ich frage
mich wieder, welcher chemische Prozess diesen Zerfall hervorruft. Ich weiss
nur, dass das Bestäuben ein feines, leicht zischendes Geräusch verursacht, wenn
ich das Schokoladepulver in der richtigen Dosis, nämlich massvoll, brauche,
und wenn ich von einer ruhigen Handbewegung, die für diese Tätigkeit
erforderlich ist, gesprochen habe, dann meine ich ein behutsames Tippen des
Zeigefingers an die gekippte Dose. Mutter und ihre Schwester, meine Tante Icu,
die über Handarbeit gesagt haben, dass sich die Hände schön, in einem ruhigen
Fluss bewegen sollen, egal, ob man einen Teig knetet, Konfitüre kocht, stickt,
flickt, die Hände müssen angenehm warm werden, dann wird alles gelingen, auch
der schwierige Strudelteig.
Und das ist es, was mich an
dieser Arbeit interessiert, nämlich die erforderliche Handbewegung möglichst
leicht, in einem immer schöneren, das heisst ruhigeren Schwung auszuführen, und
ich möchte jeden Tag merken, dass meine Hände die Tätigkeiten des Ausspannens,
Ausklopfens, Einspannens besser verstehen und somit der Kaffee mehr als eine
solide Qualität erreicht, ich möchte das Zusammenspiel zwischen meinen Händen
und der Cimbali, einer Drei-Kolben-Maschine mit Siebträgern, beheizter
Tassenabstellfläche und Edelstahlfront — so steht es in der Bedienungsanleitung
—, perfektionieren, obwohl ich weiss, dass es negative Einflüsse gibt wie
feuchtes, windiges Wetter und Vollmond, gegen die ich nichts ausrichten kann.
All dies bedingt, dass ich beim Arbeiten nicht abschweife, mich mit nichts
anderem befasse als mit den eben beschriebenen Tätigkeiten.
Von unseren Verwandten könnte
niemand hier arbeiten, im Mondial, denke ich an diesem kalten Märztag, ich,
stundenlang Milch schäumend (so kommt es mir vor), weder im Service noch im Buffet
könnten Tante Manci und Tante Icu arbeiten, egal wie gekonnt ihre Arbeit mit
den Händen ist, und dieser Gedanke hat einen unangenehmen Ton, bin ich davon
ausgegangen, dass sie irgendwann hier bei uns arbeiten?, meine Onkel, die mit
ihrem je speziell schadhaften Gebiss jeden Gast misstrauisch machen würden,
denen wir unmöglich beibringen könnten, ihr Zahn-Zahnlücke-Lachen zu
verstecken; Csilla, Tante Icus und Onkel Piris Tochter, die jetzt Mitte
dreissig ist, an einer Hautkrankheit leidet, keinen einzigen Zahn mehr im Mund
hat und auch kein Geld für ein Gebiss, wie uns Tante Icu irgendwann geschrieben
hat (Csillas Zähne, die ein Dauerthema sind, da sie damals, als sie einen
Sommer lang bei uns gearbeitet hat, in unserer ersten Cafeteria in der Schweiz,
Mutter hoch und heilig versprochen hat, einen Teil des verdienten Geldes auf
die Seite zu legen für schöne, neue Zähne, dann kannst du auch wieder richtig
essen, du bist ja so dürr wie Herbstlaub, sagte Vater! Csilla, die damals in
der Küche gearbeitet hat, im ersten Stock, unsichtbar für die Gäste, und mach
ja deinen Mund nicht auf, auf der Strasse!, haben wir zu ihr gesagt, Nomi und
ich, sonst rennen alle vor dir davon, die Schweizer sind so was nicht
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