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Abonji, Melinda Nadj

Abonji, Melinda Nadj

Titel: Abonji, Melinda Nadj Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tauben flieggen auf
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neben dem monströsen Radio aufgestellt
sind, will diesen Tag jetzt schon aus meinem Gedächtnis streichen, wo Onkel
Piri alle Derbheiten aufbietet, um seine Tochter zu verwünschen, die sich mit
einem einlässt, der keinen Beruf, also kein Brot und kein Haus, nur einen
Schwanz hat und der sei wahrscheinlich nicht grösser als derjenige eines
Maulwurfs! Eines Maulwurfs?, fragt Tante Icu, aber nicht so witzig, so
leichtfertig, wie sie es sonst tut, ja, grüss Gott und verdammt noch mal, eines
Maulwurfs oder eines Igels, wenn dir das lieber ist! Und es wird nicht mehr
lange dauern, dann werden solche Männer wie Csillas Hundskopf von der Bildfläche
verschwinden, alle reden ja davon, dass es bald Krieg geben wird, und das sind
die ersten, die man einziehen wird in die jugoslawische Volksarmee, so einen
Halb-Zigeuner heisst man willkommen, soll er doch kämpfen und krepieren für die
Serben! Tante Icu, die nach der Fliegenklatsche schnappt, sie knapp neben Onkel
Piris Hand niedersausen lässt, schade, ruft Tante Icu, hab sie nicht erwischt,
da war gar keine Fliege, flucht Onkel Piri, aber deine schlechten Worte, siehst
du sie nicht, da, auf meinem unschuldigen Tisch? Du-uuuu, ruft Onkel Piri so
laut, dass der Holztisch vibriert, meinst du, du liebst deine Tochter, wenn du
sie einem Nichtsnutz überlässt, ihn und sie durchfütterst?
    Und was ist das für eine
Liebe, wenn du dem Liebhaber deiner Tochter den Tod wünschst?
    Sie hätte einen Soliden haben
können, sagt Onkel Piri, und sein Blick verliert sich irgendwo zwischen
Abwaschtrog und Namenskalender, dann packt er seine Mütze, steht auf, jetzt hat
sie einen, den man als Kanonenfutter brauchen wird, so ist das, und Onkel Piri
vergisst, sein Hemd zuzuknöpfen, aber die Mütze, seine mid, setzt er sich auf, schiebt mit
einer raschen Handbewegung den Vorhang zur Seite, der die Grenze zwischen Küche
und überdachter Veranda markiert, öffnet die Tür zum Hof, aber Csilla, Csilla
ist für mich jetzt schon tot, ruft er, zu den Hunden, zu uns, hört ihr, ihr
sollt es alle wissen!, zu den Nachbarn, ich hatte einmal eine Tochter ...
Tante Icu, die sich bekreuzigt, ihm nachschaut, und du, sagt sie, du warst
genauso als Kanonenfutter gedacht im letzten Krieg, als Ungar bei den
Partisanen, wo du in deinem Petöfi-Regiment nicht einmal eine Waffe bekommen
hast, aber du und deine Schulter haben das längst vergessen, mein Piri, aber
ich nicht.
    Und nachts, als alle anderen
schon längstens schlafen, sagt Nomi, sogar das Bett hat sich verändert — oder
die Nacht, antworte ich, und wir schlafen beide so lange nicht, bis es dämmert.
    Welten
     
    Wir setzen uns ins Abteil, wo
wir rauchen können, wir setzen uns hin und sind beide erschöpft, vom Samstag,
an dem immer viel los ist, im Mondial (nicht mehr so viel wie früher, bei den
Tanners, aber doch), und unser Zug fährt los, Richtung Stadt, ich bin gar nicht
in Stimmung, sage ich, wollen wir nicht beim nächsten Halt aussteigen und zum
See runter? Komm schon, sagt Nomi, du kennst das doch, wie das ist, wenn man
sich erst mal hinsetzt, merkt man erst, wie müde man ist, aber das geht schnell
vorbei, nach einer halben Stunde, höchstens. Ausserdem ist heute ein grosses
Konzert, die ganze Nacht spielen Bands, Ildi, das sollten wir nicht verpassen,
und Mark, der wird auch da sein, meinst du nicht? Schon möglich, und ich nehme
mir eine Dose aus der Tasche, willst du auch?
    Nomi und ich, wir trinken
Bier, wir schauen uns an, wie wir uns spiegeln im Zugfenster, wir sind es doch,
obwohl wir ganz anders aussehen als sonst, im Mondial, wir sehen aus wie
Männer, wie schmuddelige Männer, findet Vater und ereifert sich, endlos lang
seine Ausführungen über seine Töchter, die die falschen Freunde hätten, falsche
Freunde mit falschen Ideen!, und ich sag's euch, wenn ihr euch so im Mondial blicken
lässt ... und Mutter sagt gar nichts, wenn sie uns so sieht, höchstens
schüttelt sie den Kopf, da, wo wir hingehen, spielen die Kleider keine Rolle,
sagen wir, und manchmal glauben wir uns, und manchmal wissen wir, dass wir
lügen, wenn wir vor dem Spiegel stehen, schauen, ob die Handwerkerhose, die
dunkelblaue, so sitzt, dass man meinen könnte, man hätte ihr noch gar nie
Beachtung geschenkt — wo geht ihr denn hin, fragt Vater. An einen Ort, wo es
keine Gesetze gibt, da ist alles erlaubt, alles, was einem anderen nicht weh
tut, sagt Nomi oder sage ich, unsere verwaschenen, überdimensionierten
Sweat-Shirts, die uns geschlechtslos

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