Abonji, Melinda Nadj
kennen und die sich, seit wir sie
kennen, nicht verändert haben, weil sie nur für festliche Angelegenheiten, für
Ausnahmezustände gebraucht werden: Möbel, die immer noch nach Fabrik riechen,
obwohl sie schon so lange an demselben Ort stehen, zimmerhohe Wohnwände,
Polstergruppen, Tischchen, die mit bestickten Tischtüchern geschmückt sind;
die Tapeten, die in diesen Vorzeigezimmern immer perfekt sind, Kristallgläser,
die so unwirklich aussehen, das unbeschreiblich Kühle, Verlassene dieser
Zimmer, und Nomi und ich, wir sind uns darin einig, dass wir diese Zimmer nicht
mögen, obwohl wir uns wünschen, dass sich in unserer Heimat nichts verändert,
finden wir diese Zimmer, in denen sich nicht das Geringste verändert,
abstossend, erschreckend, und wenn uns Tante Manci ins "gute Zimmer" bittet,
uns die lebensgrosse Puppe mit ihren strahlend starren Augen anschaut, immer
noch!, dann sagt Nomi, dann sage ich, Tante Manci, können wir uns nicht in die
Küche setzen? (Mamika und Tante Icu, die kein Vorzeigezimmer haben,
glücklicherweise.)
Es regnet, nicht ständig, aber
oft, das passt doch, meint Nomi, das Wetter fühlt mit uns mit, und in rasender
Geschwindigkeit besuchen wir unsere Verwandten, als hätte euch eine Wespe in
den Arsch gestochen, witzelt Onkel Piri, und wir lachen, während wir weinen und
uns verabschieden, nur wenige Stunden, nachdem wir uns unter Tränen begrüsst
haben — und schon setzen wir uns in die nächste Küche oder in eines dieser
Vorzeigezimmer, trinken wieder Traubi oder Tonic oder Schnaps, und wir müssen
abwinken, weil wir bereits nach dem Mittagessen ein Stück Kuchen gegessen
haben, wir winken ab und sagen, vielleicht später, um niemanden zu beleidigen,
als wir ein bisschen erzählt haben, von unserem Leben in der Schweiz, dass wir
jetzt eine Cafeteria führen (und jemand fragt, ob die Schweizer denn Zeit
hätten, Kaffee zu trinken, und wie!, antwortet Vater, wir haben Gäste, die
sitzen den ganzen Morgen bei uns, und natürlich sind alle beeindruckt, so viele
Stunden in der Cafeteria rumsitzen und trotzdem so reich sein!, aber ja,
Kinder, die Schweizer lassen eben ihr Geld arbeiten; und alle lachen, weil man
sich nicht genau vorstellen kann, wie man das Geld für sich arbeiten lässt),
als wir gehört haben, was unsere Verwandten erzählen, dass das Leben immer noch
schwer sei, oh oh, der Mais und die schönen Sonnenblumen, wenn es weiter so regnet,
gibt es eine miserable Ernte dieses Jahr (und ich erinnere mich, dass Onkel Móric
gesagt hat, er wäre gern mein Onkel aus Amerika, als ich ihm erzählt habe, ich
sei nach meinem Schulabschluss in Amerika gewesen, in den Vereinigten
Staaten!, so nickte Onkel Móric, wo alle grossartigen Maschinen erfunden
werden und die Weizenfelder endlos sind, die Menschen ins Glück hinein geboren
werden, und ich verstehe gar nicht, dass ihr damals nicht nach Amerika
ausgewandert seid, sagte er zu Vater, ich wäre bestimmt nicht in Ruropa
geblieben, Vater, der über seine Schnauzhaare fährt, sagt, mein grosser Bruder,
hättest du uns in all den Jahren wenigstens ein Mal besucht, wüsstest du, dass
wir die richtige Entscheidung getroffen haben, Tante Manci, die dann rasch
nach der Platte mit dem aufgeschnittenen Fleisch greift, Würste, Schinken,
Spezialspeck, die mit Tomaten, weissem Paprika, sauren Gurken und roten
Zwiebeln eingerahmt sind, und Tante Mancis Mund, der sprudelt, sie würden jetzt
auch Mangalitza-Schweine züchten, die seien sehr begehrt, eine alte Rasse, die
viel kompakteres, schmackhafteres Fleisch liefere), und schneller als sonst
stehen wir auf, in der ersten Gesprächspause greifen wir nach den mitgebrachten
Säcken und Taschen — mit der Zeit haben wir eine richtige Systematik im
Geschenke verteilen entwickelt, Nomi, die den Kaffee, die Schokoladen, die
Seifen auf den Tisch stellt, ich, die ein paar Worte über die mitgebrachten
Kleidersäcke verliert, Mutter und Vater, die die spezifischen Geschenke überreichen,
Diät-Schokolade für unsere Mamika, Taubenfutter für Bela, Haarfärbemittel für
Belas Frau, die Coiffeuse ist, hautfarbene Verbände für Tante Icu, deren Beine
von ihrer Arbeit in der Hanffabrik schwarz gefleckt sind, den Asthma-Spray für
Onkel Móric, dessen Atemwege verklebt sind, weil er nicht nur Bauer ist,
sondern seit Jahren auch in der Mühle arbeitet, einen Mixer für Nándor und
Valeria, die mittlerweile zwei Kinder haben — und als wir abends erschöpft in
Mamikas Küche sitzen, Nomi sagt, sie
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