Abonji, Melinda Nadj
Schublade, jeden Winkel inspizierten, da bat ich
Papuci unterzutauchen. Mein Täubchen, sagte er, die wissen doch selber nicht,
in welche Richtung sich ihre Nase gerade drehen soll, die werden sich schon
wieder beruhigen.
Einige Tage später rannte der
kleine Feri, der Junge vom Nachbarhof, in unsere Küche, erzählte atemlos, dass
sie seinen Vater verhaftet hätten. Sie nehmen alles mit, sagte das Kind mit verwirrten
Augen. Die Pferde schlügen aus, vor Panik, die Gänse hörten nicht mehr auf zu
schnattern, der Hund, der sonst so friedlich sei, habe einen ins Bein gebissen,
woraufhin sie ihn sofort erschossen hätten, und der Junge fuchtelte wild mit
seinen Händen herum. Ich habe ihm die Stirn gestreichelt, habe versucht, ihn zu
beruhigen, aber Feri trat von einem Bein aufs andere, weinte und schaute
immer wieder in die Richtung, wo das Haus seiner Eltern stand. Wo ist deine
Mutter?, fragte ich endlich. In der Stadt, auf dem Markt. Sie verkauft ihre
Äpfel und Birnen, und dem Jungen lief der Rotz aus der Nase.
Papuci stand auf, ging in die
Vorratskammer, kam nach einer kurzen Weile wieder, mit einem kleinen, prall
gefüllten Sack, sagte ganz ruhig, ich solle mit den Kindern in die Stadt
fahren, zu meiner Schwester. Er fuhr Miklós und Móric mit der Hand übers
Gesicht, küsste sie auf die Stirn, und ich werde nie vergessen, wie unsere
beiden Buben in diesem Moment ausgesehen haben, sie hatten fahle, erschreckte Gesichter,
als hätten sie geahnt, was in der nächsten Zukunft geschieht. Und nimm den Feri
mit, rief Papuci mir noch zu, nachdem er mich umarmt hat und hinter der
Küchentür verschwand.
Mamika machte hier eine längere
Pause, schnauzte sich, bat mich, ihr einen Apfel zu schälen. Und als ich mich
wieder neben Mamika setzte, sie winzige Bisse vom Apfel nahm, deutete sie auf
das Marienbild, das über ihrem Kopf hing, schaut sie euch an! Eine mit
Halsketten, Ringen, Armreifen und einem Diadem geschmückte Maria, die ihren
Kopf leicht geneigt hielt, die lächelte und auch wieder nicht, und in ihrer
Brust steckte ein am Griff mit Rubinen und Smaragden verzierter Säbel, dessen
Spitze, und das ist mir am meisten in Erinnerung geblieben, hinter Marias
Händen unsichtbar blieb. Sie erträgt den Schmerz, sagte Mamika, weil sie die
Mutter von uns allen ist, sie ist unsere Hoffnung in den schlimmsten Zeiten.
Und weder ich noch Nomi hätten widersprechen können, wir fühlten, wie unangemessen
unser Zweifel war, in Anbetracht von dem, was Mamika erlebt hatte.
Sie haben Papuci ins
Arbeitslager nach Pozarevac gebracht, nachdem er sich wochenlang in den Maisund
Weizenfeldern versteckt hatte. Ein Bekannter, ein gern gesehener Bekannter muss
ich sagen, hat Papuci denunziert, er hat es den Behörden eingeflüstert - so
nannten wir damals diesen Akt der Denunziation -, dass Papuci nachts, jeweils
zwischen elf und zwölf, bei den Särväris auftauche, um etwas zu essen und sich
zu waschen. Zwei Tage später erzählte man mir, Papuci sei mit vier weiteren
Männern auf einem Wagen abtransportiert worden, und Bori, die Dorfschönheit,
beschimpfte sie auf dem Wagen lauthals als Ausbeuter, Kulaken!, Kulaken! und
riss ihnen die Schnauzhaare aus. Die Zeit zwischen 1946 und 1952 wurde später
nicht umsonst die Zeit des Schnäuze-Ausreissens genannt.
Bevor sie Papuci zuerst nach
Pozarevac und danach ins Kohlebergwerk nach Kostolac brachten, haben sie ihn im
Keller des Schulhauses, wo Miklós zur Schule ging, tagelang verhört und
geschlagen. Miklós hat Papuci gehört, stellt euch das vor, und der Lehrer hat
ihn mit Müh und Not daran gehindert, in den Keller zu stürzen, in den sicheren
Tod, das wollen die ja, rief der Lehrer, die wollen, dass du ihnen ins offene
Messer läufst! Vom Unterricht befreien konnte er Miklós nicht, da die "Vollstrecker"
jeden Tag kontrollierten, ob alle Schüler anwesend waren. Mein armer Miklós,
sagte Mamika, damals war er erst elf Jahre alt.
Papuci weigerte sich, unser
Land herzugeben und der Partei beizutreten, Grossgrundbesitzer!, Faschist!,
verdammter Ungar!, so haben die Vollstrecker, jene also, die etwas zu Ende
führen, was andere für sie ausgedacht haben, ihn immer wieder beschimpft. Es
sei wohl das Schlimmste, weder das eine noch das andere, noch etwas Drittes zu
sein. Er sei, und dafür sei er weitherum bekannt, ein einfacher Bauer, soll
Papuci gesagt haben, und er habe auch nie etwas anderes gewollt. Sie würden
ihn, falls sie ihn töteten, als Menschen töten, als nichts
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