About a Boy
Wenn man alles zusammen betrachtete, die Sache mit Ned und die Sache mit dem Auto, hatte sich Paula unmöglich benommen, das sah er selbst, aber trotzdem fiel es ihm schwer, den geforderten Zorn zu zeigen. Aber es musste sein, wenn auch nur, um Suzie zu beweisen, dass er kein unverbesserlicher, rückgratloser Schwächling war. »Sie ist eine Kuh.« »Das klingt schon besser.«
Es war sehr viel verwirrender, als er es sich vorgestellt hatte, dieses Erfinden von Leuten, und langsam wurde ihm klar, dass er sich das nicht gründlich genug überlegt hatte. Er hatte bereits eine Dreierbesetzung - Paula, Ned und seine Mutter (die nicht ganz so imaginär war, da sie immerhin einmal gelebt hatte, wenn das auch, zugegeben, schon länger her war) -, und er sah schon kommen, dass er bald ein Statistenheer haben würde, wenn er das wirklich durchzog. Aber wie konnte er es durchziehen? Wie viele Male konnte er Ned glaubwürdigerweise von seiner Mutter, Großmutter mütterlicherseits oder internationalen Terroristen entführen lassen? Welche Gründe konnte er angeben, Suzie nicht in seine Wohnung einzuladen, in der es weder Spielzeug noch Kinderbettchen noch Windeln, ja nicht einmal ein zweites Schlafzimmer gab? Konnte er Ned an irgendeiner schrecklichen Krankheit sterben lassen oder bei einem Autounfall - tragisch, tragisch, doch das Leben geht weiter? Lieber nicht. Eltern nahmen es ziemlich schwer, wenn Kinder starben, und die erforderlichen Trauerjahre würden seine schauspielerischen Fähigkeiten auf eine harte Probe stellen. Was war mit Paula? Konnte er Ned nicht einfach an sie abtreten, wenn sie schon so verdammt scharf darauf war, ihn dauernd zu sehen? Außer … außer, dass er dann kein allein erziehender Vater mehr wäre. Und damit den ganzen Zweck der Übung verfehlt hätte.
Nein, die Katastrophe war unausweichlich. Am besten jetzt aussteigen, sich zurückziehen, sie in dem Glauben lassen, er sei ein alberner Exzentriker, mehr nicht - sicherlich kein Perverser, oder ein Schwindler, oder sonst einer dieser unangenehmen Leute, in die er sich zu verwandeln drohte. Aber Rückzieher waren nicht Wills Art. Er war immer davon ausgegangen, dass sich schon irgendwas ergeben würde, obwohl sich niemals etwas ergab und meistens auch nichts ergeben konnte. Einmal, vor Jahren, als kleiner Junge, hatte er einem Schulfreund (nachdem er sich erst vergewissert hatte, dass der kein Fan von C. S. Lewis war) erzählt, man könne durch die Rückwand seines Schranks in eine andere Welt hineingehen, und hatte ihn zu einer Expedition eingeladen. Er hätte absagen können, er hätte ihm sonst was erzählen können, aber er war nicht bereit, sich einer vorübergehenden, minder schweren Peinlichkeit auszusetzen, wenn keine unmittelbare Notwendigkeit dazu bestand, und so rumorten sie beide mehrere Minuten zwischen Kleiderbügeln herum, ehe Will irgendwas davon murmelte, die Welt sei am Samstagnachmittag geschlossen. Tatsächlich konnte er sich immer noch erinnern, allen Ernstes gehofft zu haben, bis zur allerletzten Minute: Vie lleicht ist da wirklich etwas, hatte er gedacht, vielleicht werde ich mich nicht blamie ren. Doch da war nichts, und er hatte sich blamiert, und zwar nicht zu knapp, aber aus dieser Erfahrung hatte er nicht das Geringste gelernt: wenn überhaupt, hatte sie ihm das Gefühl gegeben, dass er beim nächsten Mal Glück haben müsste. Und hier stand er nun, sechsunddreißig Jahre alt, wusste mit jeder Faser seines Wesens, dass er keinen zweijährigen Sohn hatte, und war immer noch so vermessen, zu glauben, es würde von irgendwoher einer auftauchen, sollte es zum Schlimmsten kommen.
»Ich wette, du kannst einen Kaffee vertragen«, sagte Suzie. »Dafür könnte ich töten! Was für ein Morgen!« Er schüttelte ungläubig den Kopf, und Suzie blies mitfühlend die Backen auf. Plötzlich ging ihm auf, dass er Spaß an der Sache hatte.
»Ich weiß noch nicht mal, was du machst«, sagte Suzie, als sie
ins Auto stiegen. Megan saß neben ihr im Babysitz; Will saß
hinten neben Marcus, dem komischen Jungen, der unmelodisch
summte.
»Nichts.«
»Oh.«
Normalerweise dachte er sich etwas aus, aber er hatte sich in
den letzten paar Tagen schon zu viel ausgedacht … wenn er der
Liste noch einen fiktiven Job hinzufügte, würde er erstens den
Überblick verlieren und zweitens Suzie rein gar nichts Reales
vorsetzen.
»Na, und was hast du früher gemacht?«
»Nichts.«
»Du hast nie gearbeitet?«
»Mal einen Tag hier und einen Tag da, aber
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