About a Boy
ich ihr nicht. Sie hat auch ohne mich genug Proble
me.«
»Du bist längst ein Problem, Marcus.«
»Warum kannst du nicht mit ihr sprechen? Mit Mrs. Morrison?«
»Du machst wohl Witze. Warum sollte sie auf mich hören?«
»Das würde sie. Sie …«
Jetzt hör mal zu, Marcus. Ich bin nicht dein Vater, dein Onkel, dein Stiefvater oder sonst was. Ich habe nichts mit dir zu tun. Keine Direktorin wird darauf hören, was ich zu sagen habe, das darf sie gar nicht. Du darfst nicht immer glauben, ich hätte auf alles eine Antwort. Die habe ich nämlich nicht.« »Du kennst dich aus. Du wusstest auch mit den Turnschuhen Bescheid.«
»Ja, und was waren die für ein durchschlagender Erfolg! Ich meine, die waren ja ein Quell unerschöpflicher Freude, was? Hätte ich dir diese Turnschuhe nicht gekauft, wärst du heute Nachmittag in der Schule gewesen.«
»Und du wusstest über Kirk O’Bane Bescheid.«
»Über wen?«
»Kirk O’Bane.«
»Den Fußballer?«
»Ich glaube nur nicht, dass er Fußballer sein kann. Ellie hat ei
nen von den Witzen gemacht, die du immer machst.«
»Aber sein Vorname ist Kirk?«
»Ich glaube schon.«
»Kurt Cobain, du Trottel.«
»Wer ist Kurt Cobain?«
»Der Sänger von Nirvana.«
»Ich habe mir gedacht, dass er Sänger sein muss. Blond gefärbtes Haar? Sieht ein bisschen wie Jesus aus?« »Ich schätze schon.«
»Da hast du es«, sagte Marcus triumphierend. »Den kennst du
auch.«
»Den kennt jeder.«
»Ich nicht.«
»Nein, du nicht. Aber du bist auch anders, Marcus.« »Und meine Mutter wird ihn auch nicht kennen.« »Nein, die wohl auch nicht.«
»Siehst du? Du weißt solche Sachen. Du kannst mir helfen.« Und da wurde Will zum ersten Mal klar, welche Art von Hilfe Marcus brauchte. Von Fiona hatte er den Eindruck gewonnen, Marcus brauche eine Vaterfigur, jemanden, der ihn behutsam ins Erwachsenenleben führte, aber darum ging es gar nicht: Marcus musste man beibringen, ein Kind zu sein, nicht, erwachsen zu werden. Und das war - zu Wills Pech - genau die Art von Beistand, für den er qualifiziert war. Er konnte Marcus nicht erklären, wie man erwachsen wurde, wie man mit einer selbstmordgefährdeten Mutter umgehen sollte oder irgendetwas dieser Art, aber er konnte ihm erklären, dass Kurt Cobain nicht für Manchester United spielte, und für einen Zwölfjährigen, der Ende 1993 eine weiterführende Schule besuchte, war das vielleicht die wichtigste Information überhaupt.
21
Am nächsten Morgen ging Marcus wieder zur Schule. Es schien niemandem aufgefallen zu sein, dass er am letzten Nachmittag gefehlt hatte: Seine Klassenlehrerin wusste, dass er während der Anwesenheitskontrolle am Nachmittag zu Mrs. Morrison musste, und sein Geschichtslehrer, Mr. Sandford, bemerkte Marcus nicht einmal dann, wenn er da war. Die anderen Kinder in der Klasse hatten sich vielleicht gedacht, dass er blaumachte, aber wie wollte er das je erfahren, wenn sie ohnehin nie mit ihm sprachen?
In der Pause lief er am Getränkeautomaten Ellie über den Weg. Sie trug ihr Kurt-Cobain-Sweatshirt und war mit einer Freundin zusammen.
»Kurt Cobain spielt nicht bei Manchester United«, sagte er zu ihr. Das andere Mädchen aus ihrer Klasse lachte sich halbtot. »Oh, nein«, sagte Ellie mit gespieltem Entsetzen, »haben sie ihn rausgeschmissen?«
Marcus war einen Moment irritiert: Hielt Ellie Kurt Cobain am Ende wirklich für einen Fußballer? Aber dann begriff er, dass sie einen von den Witzen machte, die er nie verstand. »Ha, ha«, sagte er trocken. Das war die angemessene Reaktion, und er spürte die freudige Erregung, zur Abwechslung mal etwas richtig gemacht zu haben. »Nein, er spielt … er singt bei Nirvana.« »Das sind ja tolle Neuigkeiten. Danke.«
»Keine Ursache. Ein Freund von mir hat eine von ihren Platten.
Nevermind.«
»Die hat jeder. Ich wette, die neue hat er nicht.«
»Vielleicht doch. Er hat alles Mögliche.«
»In welcher Klasse ist der? Ich hätte nicht geglaubt, dass an dieser Schule noch wer auf Nirvana steht.«
»Er ist schon aus der Schule. Er ist ziemlich alt. Das ist Grunge, oder? Nirvana? Ich weiß nicht so richtig, was ich von Grunge halten soll.« Das wusste er wirklich nicht. Will hatte ihm am letzten Abend etwas von Nirvana vorgespielt, und er hatte nie irgendwas Vergleichbares gehört. Am Anfang hatte er nichts als Krach und Geschrei hören können, aber da waren auch ein paar ruhigere Stellen, und zum Schluss hatte er doch eine Melodie ausmachen können. Er glaubte nicht, dass ihm
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