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About Ruby

About Ruby

Titel: About Ruby Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: S Dessen
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sehr sie uns verletzt und was sie uns alles angetan hatte. Es erinnerte mich an die Lieder, die ich als Kind vernommen hatte, die mir so vertraut waren; sie gehörten auf ähnliche Weise zu mir und meinem Leben. Auch als ich älter wurde und die Worte allmählich verstand   – verstand, wie traurig sie waren, wie tragisch die Geschichten, die darin erzählt wurden   –, mochte ich die Songs noch genauso gern wie früher. Denn mittlerweile waren sie zu einem Teil von mir geworden, fest verwoben mit meinen Erinnerungen, meinem Bewusstsein. Ich hätte sie nicht einfach aus mir rausschneiden können, genauso wenig wie meine Mutter selbst. Cora erging es ähnlich. Das war es, was wir gemeinsam hatten   – was aus uns genau das Wir machte, das wir waren.
    Nachdem Cora mir meine Strafe in allen Einzelheiten erläutert hatte (ich würde mich jeden Tag nach der Schule von daheim oder von der Arbeit aus melden müssen, und vor der Therapie konnte ich mich auch nicht mehr drücken, zumindest vorläufig nicht), drückte sie mich kurz an sich und ging nach oben. Roscoe, der die ganze Zeit über imDurchgang zum Flur gelegen hatte, sprang auf und folgte ihr. Ich blieb noch einen Moment in der stillen Küche sitzen. Dann ging ich hinaus in den Garten. Zum Teich.
    Die Fische schwammen wirklich sehr weit unten. Doch nachdem ich ein paar Minuten dagehockt und angestrengt ins Wasser gestarrt hatte, konnte ich meinen weißen entdecken. Er drehte bei einigen mit Moos bewachsenen Felsen seine Runden. Ich hatte mich gerade wieder hochgerappelt, als ich hörte, wie in der Nähe eine Tür zuschlug. Ich drehte mich um, rechnete damit, Cora zu sehen. Doch hinter mir war niemand. Erst da wurde mir klar, dass das Geräusch aus der anderen Richtung, von Nates Haus her, gekommen war. Im nächsten Moment wurde Nates blonder Haarschopf ein paarmal hintereinander auf der anderen Seite des Zauns sichtbar und verschwand dann wieder.
    Meine erste Reaktion war, mich zurückzuziehen, genau wie am Vorabend, als ich mit Roscoe an der Leine auf der Zufahrt zu Coras Haus gestanden und mich nicht vom Fleck gerührt hatte. Verdrängen, leugnen, abwehren, solange es irgend möglich war. Doch Nate hatte mich aus dem Wald geholt. Ich hatte meine eigenen, verqueren Gründe gehabt, ihn nicht als Freund akzeptieren zu wollen. Aber mittlerweile verband uns trotzdem etwas, egal wie man es nannte.
    Ich ging ins Haus, nahm sein Sweatshirt von der Küchentheke, atmete einmal tief durch, lief über die Wiese zum Zaun. Das Tor stand einen Spalt offen, genauso die Tür zum Gartenhäuschen neben dem Pool. Ich sah, dass Nate sich über einen Tisch beugte, mit irgendwas beschäftigt war. Ich schlüpfte durchs Tor, lief um den Pool herum, näherte mich Nate von hinten, blieb allerdings im Türrahmen stehen. Er öffnete eine Packung mit kleinen Tüten, stellte sie fein säuberlich in einer Reihe vor sich auf.
    »Lass mich raten«, sagte ich. »Für Kindergeburtstagstörtchen?«
    Er zuckte erschrocken zusammen. Wandte sich um. »So ungefähr«, meinte er. »Auf jeden Fall sind es Geschenktüten.«
    Ich betrat das Gartenhäuschen, ging auf die andere Seite des Tischs. Der Raum war weitgehend leer und wurde offensichtlich weniger zum Vergnügen als vielmehr für die Arbeit genutzt: An einer fahrbaren Kleiderstange hingen etliche Klamotten für die oder frisch aus der Reinigung; an einer Wand türmten sich ein paar Getränkekästen von der Sorte, wie Harriet sie zum Transport und zur Aufbewahrung benutzte. Neben der Tür stand ein prall gefüllter Karton Duftbäume mit der Aufschrift
»REST ASSURED EXECUTIVE SERVICES
: SIE KÖNNEN GANZ BERUHIGT SEIN   – IHREN KOPF ZERBRECHEN WIR UNS«, von denen ein intensiver Nadelbaumgeruch ausging.
    Nate entfaltete weitere Tüten, stellte sie vor sich auf. Ich sah schweigend zu. Schließlich war kein Platz mehr auf dem Tisch. Nate zog einen Karton darunter hervor, holte irgendwelche in Plastik verpackte Teile   – ich konnte nicht erkennen, was genau   – daraus hervor und ließ je eins in jede Tüte fallen.
Klank klank klank
.
    »Wegen gestern . . .«, begann ich schließlich. Er arbeitete sich systematisch vor, die Tütenreihe entlang. »Du siehst aus, als ginge es dir besser.«
    »Was meinst du mit ›besser‹?«
    Er betrachtete mich einen Moment lang prüfend von oben bis unten. »Na ja, du stehst aufrecht. Und bist bei Bewusstsein.«
    »Ziemlich traurig, wenn schon das als Verbesserung herhalten muss«, erwiderte ich.
    »Aber

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