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About Ruby

About Ruby

Titel: About Ruby Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: S Dessen
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nachdachte. Olivia verkaufte derweil Tickets, musste sich weiteres Gemeckere über die Preise anhören und beschrieb einer Frau mit einem sehr unzufriedenen kleinen Wesen, das anscheinend gerade erst laufen gelernt hatte, den Weg zur Toilette. Nach einer knappen Viertelstunde wurde es wieder etwas ruhiger. Und ich hatte mich mittlerweile durch die Hälfte meines Popcorns durchgeknabbert.
    »Hör zu«, fing ich noch einmal an. »Ich wollte bloß sagen, dass ich . . . Du sollst nicht denken, dass ich so bin.«
    »Dass du wie bist?« Olivia sortierte Dollarscheine in der Kassenschublade.
    »Wie jemand, der die Schule schwänzt, um sich zu besaufen. Es war bloß ein echt harter Tag und ich ziemlich mies drauf und   –«
    Sie unterbrach mich: »Ruby.« Ihre Stimme klang unüberhörbar scharf. »Du brauchst es mir nicht zu erklären. Ich hab’s kapiert.«
    »Echt?«
    »Die Schule zu wechseln, war für mich das Allerletzte.« Sie lehnte sich auf ihrem Stuhl zurück. »Mein ganzes Leben auf der Jackson High   – plötzlich war es vorbei. Es hat mir so gefehlt. Bis heute. Inzwischen ist ein ganzes Jahr vergangen, aber ich habe immer noch keine Lust, auf die Perkins Day zu gehen. Richtig anzukommen, mich einzufügen. Ich habe nicht einmal Freunde da.«
    »Ich auch nicht.«
    »Doch. Nate Cross.«
    »Wir sind nicht wirklich befreundet«, sagte ich.
    Sie hob skeptisch die Augenbrauen. »Der Typ ist fast zwanzig Kilometer durch die Gegend gedüst, um dich im Wald aufzusammeln.«
    »Nur weil du es ihm gesagt hast«, meinte ich.
    »Nein«, erwiderte sie mit fester Stimme. »Ich habe ihn bloß wissen lassen, wo du steckst, mehr nicht.«
    »Das ist dasselbe.«
    »Falsch.« Wieder angelte sie sich etwas Popcorn aus meiner Tüte. »Zwischen einer Information und einer Aktion besteht ein Riesenunterschied. Ich habe ihm bloß gesteckt, was Sache ist, weil ich mich irgendwie verantwortlich fühlte. Schließlich hatte ich dich mit diesem Loser dort allein gelassen. Aber hinzufahren? Das war absolut seine eigeneEntscheidung. Deshalb hoffe ich, dass du dich angemessen bedankt hast.«
    »Nein«, sagte ich leise.
    »Was?« Sie wirkte ziemlich überrascht. »Nun ja . . .«, meinte sie gedehnt. »Wieso nicht?«
    Ich starrte in meine Popcorntüte. Spürte bereits die charakteristische Wirkung von zu viel Butter und Salz, die unweigerlich zum berühmten Popcornkater führt. »Ich nehme nicht gern Hilfe an«, erklärte ich schließlich. »Das ist eins meiner Probleme.«
    »Kann ich verstehen«, meinte sie.
    »Ja?«
    Sie zuckte die Schultern. »Mir fällt es auch nicht besonders leicht. Vor allem, wenn ich glaube, dass ich gar keine Hilfe brauche.«
    »Genau.«
    »Andererseits bist du im Wald zusammengeklappt.« Olivia ließ nicht locker. »Will heißen, du brauchtest dringend Hilfe und kannst froh sein, dass wenigstens er es gemerkt hat. Wo du selbst schon völlig neben der Spur warst und nichts mehr geschnallt hast.«
    Jede Menge Leute kamen jetzt auf uns zu, Eltern und Kinder. Sie näherten sich dem Kassenhäuschen wie eine breite, unregelmäßige Welle.
    »Ich möchte es wiedergutmachen«, sagte ich. »Ich würde mich in der Beziehung gern ändern. Aber so einfach geht das nicht.«
    »Jawoll.« Olivia nahm sich noch eine Handvoll Popcorn und stopfte sie sich in den Mund. Die Meute näherte sich unaufhaltsam. »Ich weiß genau, wie das ist.«
    ***
    Irgendeinen Schwachpunkt hat jeder. Der einen immer wieder in die Knie zwingt, egal wie stark man sonst ist, egal wie sehr man auch dagegenhält. Sich anstrengt, nicht zu versagen. Für manche Menschen ist es die Liebe. Für andere Geld oder Alkohol. In meinem Fall war es noch schlimmer: Mathematik.
    Deshalb war ich auch davon überzeugt, es niemals aufs College zu schaffen. Dass ich letztendlich nicht an meiner zweifelhaften Herkunft scheitern würde oder an der Tatsache, dass ich meine Bewerbungsunterlagen erst Monate nach allen anderen beisammenhatte. Und erst recht nicht, weil ich mir bis vor Kurzem nicht einmal sicher gewesen war, ob ich überhaupt studieren wollte. Nein, ich hatte die fixe Idee, am Ende würde es an einem einzigen Fach mitsamt seinen verfluchten Regeln und Hypothesen hängen   – Mathe. Mathematik, speziell Differenzialrechnung, würde meinen Notengesamtdurchschnitt drastisch verschlechtern. Und der mich mit sich in die Tiefe ziehen.
    Dabei hatte ich eigentlich jedes Mal voll guter Vorsätze angefangen zu lernen; mich zu motivieren versucht, indem ich mir

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