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About Ruby

About Ruby

Titel: About Ruby Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: S Dessen
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vielleicht sogar meinen Fisch. Soweit ich es beurteilen konnte, war ich schon viel zu spät dran, um noch irgendwas zu retten.
    »Hau ab!«, schrie ich noch lauter als vorher und ging dabei auf den Vogel zu. »Verschwinde! Hau endlich ab! Sofort!«
    Zunächst geschah gar nichts. Doch dann, ganz allmählich, im ersten Augenblick fast nicht wahrnehmbar, stieg er langsam in die Höhe. Und höher und noch ein Stückchen höher. Ich war so dicht dran, als er über mich hinwegflog . . . Seine riesigen Flügel breiteten sich aus, weiter, immer weiter, bewegten sich gleichmäßig auf und ab, während er in den nächtlichen Himmel emporstieg. Der reine Wahnsinn. Richtig unwirklich. Wie etwas, das man nur in seiner Fantasie erlebt. Und vielleicht hätte ich am Ende sogar geglaubt, dass ich mir alles bloß eingebildet hatte. Wäre Jamie nicht auch vor Ort und Zeuge gewesen.
    Mir war gar nicht bewusst, dass er unmittelbar hinter mir stand   – Hände in den Taschen, Kopf im Nacken   –, bis ich mich umdrehte, um weiterhin dem Vogel nachschauen zu können, der über uns hinweg davonschwebte und dabei immer noch höher stieg.
    »Es war ein Reiher«, sagte ich zu ihm und vergaß völlig, dass wir ja zurzeit nicht miteinander redeten. Immer noch war ich außer Atem, keuchte mehr, als dass ich sprach. »Er stand im Teich.«
    Er nickte. »Ich weiß.«
    Ich schluckte, verschränkte die Arme über der Brust. Mein Herz schlug nach wie vor so heftig, dass ich mich fragte, ob er es hören konnte. »Tut mir leid, was ich da gestern gebracht habe«, sagte ich. »Ehrlich, es tut mir total leid.«
    Er schwieg einen Augenblick lang. Doch dann sagte er: »Okay.« Hob die Hand, legte sie mir auf die Schulter. Gemeinsam beobachteten wir, wie der Reiher hoch über unserem Dach hinwegflog, bis in den Himmel hinein.

Kapitel zehn
    »Mit Butter oder ohne?«
    »Egal«, antwortete ich.
    Olivia warf mir über die Theke hinweg einen schwer zu deutenden Blick zu, drehte sich dann aber um, hielt die Tüte mit dem Popcorn unter den Butterspender, drückte ein paarmal mit der flachen Hand drauf; stoßweise tröpfelte die Butter über das Popcorn. »Womit du offiziell zu meinen Lieblingskunden gehörst«, sagte sie. »Und anders bist als ungefähr neunundneunzig Prozent aller Menschen, die ins Kino gehen.«
    »Ach ja?«
    »Die meisten Leute haben eine sehr eindeutige Meinung zum Thema Butter. Was sie mögen und was nicht.« Sie schüttelte die Tüte leicht, fügte anschließend noch etwas Butter hinzu. »Einige möchten gar keine; das Popcorn muss knochentrocken sein, sonst flippen sie aus. Andere dagegen wollen ihr Popcorn in Butter getränkt, und zwar so ausgiebig, dass sie es durch die Tüte hindurch fühlen können.«
    Ich verzog das Gesicht. »Igitt.«
    Sie zuckte die Schultern. »Ich habe dazu keine Meinung. Außer du gehörst zu den oberzwanghaften Typen, die ihre Butter in Schichten zwischen den einzelnen Popcornlagenverlangen, wozu man eine Ewigkeit braucht. Dann hasse ich dich.«
    Belustigt nahm ich die Popcorntüte, die sie mir über die Theke hinweg zuschob. »Danke.« Kramte in meiner Tasche nach meinem Portemonnaie. »Wie viel   –?«
    Sie winkte ab. »Vergiss es.«
    »Ernsthaft?«
    »Falls du von mir verlangt hättest, die Butter in einzelnen Schichten auf deinem Popcorn zu verteilen, hätte ich es dir berechnet. Aber weil du so eine unkomplizierte Kundin warst . . . Und jetzt Abmarsch.«
    Sie kam hinter der Verkaufstheke hervor. Wir durchquerten die Lobby des Kinopalastes in der Mall; sie war bis auf ein paar Kids, die in der Nähe der Toiletten Videospiele spielten, leer. Erreichten schließlich die Tür des Kassenhäuschens. Olivia öffnete sie, schlüpfte hinein und drehte das Schild im Fenster um, sodass die Seite, auf der »OFFEN« stand, von außen sichtbar war. Dann räumte sie einen Stuhl frei, auf dem ein Stapel Papier gelegen hatte, damit ich mich setzen konnte. »Bist du sicher?« Ich sah mich hastig um. »Dein Chef hat echt nichts dagegen?«
    »Mein Vater ist der Manager«, antwortete sie. »Außerdem habe ich die Samstagmorgen-, also die Kinderschicht übernommen, obwohl ich ausdrücklich nicht wollte. Aber die Kollegin, die eigentlich eingeteilt war, ist in letzter Minute abgesprungen. Deshalb kann ich jetzt sowieso machen, was ich will.«
    »Die Kinder   –?«, setzte ich an zu fragen, unterbrach mich allerdings gleich wieder. Denn die Erklärung lieferte sich quasi von selbst: Eine Frau mit ungefähr fünf Blagen im

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