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About Ruby

About Ruby

Titel: About Ruby Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: S Dessen
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einredete,
heute
sei der Tag, an dem sich das Rätsel endlich lösen und ich plötzlich alles durchschauen würde. Doch in der Regel verließ mich schon nach wenigen Übungsseiten, an denen ich scheiterte, der Mut, und ich spürte, wie gefrustet ich war. Gefrustet? Nein, es grenzte glatt an eine klinische Depression. Wenn gar nichts mehr half, legte ich irgendwann völlig fertig meinen Kopf auf mein Mathebuch und dachte darüber nach, was aus mir überhaupt werden sollte. Wie zum Beispiel in diesem Moment.
    »Ups«, sagte jemand in meinem Rücken. Die Stimme klang etwas gedämpft, was daran lag, dass meine Haare meine Ohren bedeckten und ich außerdem meinen Arm ummeinen Kopf geschlungen hatte, damit mein Hirn nicht auslaufen konnte. »Alles in Ordnung?«
    Ich richtete mich mühsam auf und rechnete damit, Jamie zu sehen. Stattdessen stand Nate im Durchgang zur Küche; über seiner Schulter trug er einen Stapel Klamotten frisch aus der Reinigung. Roscoe schnüffelte begeistert an seinen Füßen herum.
    »Nein«, erwiderte ich. Nate drehte sich wieder um, ging hinaus in den Flur, öffnete den Wandschrank. Da Jamie Tag und Nacht an der neuen Werbekampagne arbeitete und sich bei Cora die anhängigen Gerichtsverfahren stapelten, ließen sie seit einiger Zeit mehr und mehr Alltagskram von SIE KÖNNEN GANZ BERUHIGT SEIN erledigen. Allerdings lief mir Nate an diesem Samstagmorgen zum ersten Mal persönlich bei uns daheim über den Weg. Ich hörte dumpfes Klappern: Er hängte die Sachen von der Reinigung auf. »Ich habe gerade über meine Zukunft nachgedacht.«
    »Üble Aussichten?« Er hockte sich hin, um Roscoe zu streicheln, der prompt hochsprang und ihm das Gesicht leckte.
    »Nur wenn ich in Mathe versage«, antwortete ich. »Was allerdings immer wahrscheinlicher wird.«
    »Quatsch.« Er stand auf, wischte sich die Hände an der Jeans ab, kehrte in die Küche zurück, lehnte sich an die Arbeitsplatte. »Ausgeschlossen, schließlich kennst du den besten Mathenachhilfelehrer in der ganzen Stadt. Persönlich.«
    »Du?« Ich hob zweifelnd die Augenbrauen. »Wirklich?«
    »Natürlich nicht.« Nate schüttelte sich. »Ich kann ziemlich viel ziemlich gut, aber das nicht. Hab’s selbst kaum geschafft.«
    »Aber du hast bestanden.«
    »Ja. Aber nur wegen Gervais.«
    Ich brauchte den Namen nur zu hören, schon wurde mir halb übel. Kleine, stinkende Ratte. »Nein danke«, sagte ich. »So schlecht geht es mir nun auch wieder nicht.«
    »Das sah aber anders aus, als ich vorhin reinkam.« Nate trat zu mir an den Tisch, zog einen Stuhl zu sich heran, setzte sich mir gegenüber hin, schnappte sich mein Buch, drehte es um, blätterte auf die nächste Seite. Stöhnte. »Mann, ich drehe ja schon durch, wenn ich den Mist nur sehe. Ich meine, was gibt es Simpleres als die Potenzregel? Und trotzdem durchschaue ich das Prinzip einfach nicht. Warum?«
    Ich sah ihn verständnislos an. »Die was?«
    Er warf mir einen schrägen Blick zu. »Du brauchst Gervais’ Hilfe.« Er schob das Buch wieder in meine Richtung. »Dringend!«
    »Nein, genau die brauche ich
nicht
.« Ich lehnte mich zurück, zog ein Knie an meine Brust. »Stell dir doch mal bildlich vor, wie ich Gervais um einen Gefallen bitte. Geschweige denn, was passieren wird, sobald ich in seiner Schuld stehe. Er wird mir das Leben zur Hölle machen.«
    »Stimmt, ich vergaß.« Nate nickte wissend. »Du hast ja da dieses Problem.«
    »Was für ein Problem?«
    »Das Ich-darf-nie-wem-was-schulden-Problem«, erwiderte er. »Du musst immer total unabhängig bleiben, darfst dich nur auf dich selbst verlassen, hältst es nicht aus, Hilfe anzunehmen. Richtig?«
    »Nun ja . . .«, sagte ich. So, wie er es beschrieb, hörte es sich nicht nach etwas besonders Erstrebenswertem an. »Falls du damit meinst, dass ich nicht von anderen abhängig sein möchte, dann ja. Stimmt.«
    »Aber
mir
schuldest du bereits etwas.« Er beugte sich vor,um Roscoe zu streicheln, der es sich zu seinen Füßen bequem gemacht hatte.
    Noch so etwas, dem ich nicht bedingungslos beipflichten wollte, zumindest nicht sofort. »Worauf willst du eigentlich hinaus?«
    Er zuckte die Schultern. »Ach, bloß dass ich heute total viel zu erledigen habe. Zum Beispiel muss ich jede Menge Törtchen mit Glasur überziehen und . . .« Er brach vielsagend ab.
    »Und?«
    »Und ich könnte ein bisschen Unterstützung gebrauchen«, fuhr er fort. »Falls dir danach ist, deine Schulden bei mir zurückzuzahlen.«
    »Kommt bei dem, was du zu

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