About Ruby
hatte, sondern auch mit allem anderen, was nicht unbedingt gekühlt werden musste: Getränkedosen, Mineralwasser, Brot, Soßen, Gewürze. Zum Glück hatte Jamie vorher mit Mr Cross verabredet, dass wir ihren Ofen mitbenutzen durften, sofern es bei uns eng wurde; Nate und sein Vater würden nämlich den ganzen Tag unterwegs und damit beschäftigt sein, Thanksgiving für ihre Kunden zu organisieren; an Feiertagen waren sie in der Regel besonders gut ausgelastet. Und es
würde
eng werden bei uns: Außer dem Truthahn passte bei uns absolut nichts mehr in den Ofen. Doch all diese Vorbereitungen und vereinten Bemühungen führten letztendlich nur dazu, dass Cora bloß noch gereizter und nervöser wurde. Schließlich blieb mir gar nichts anderes mehr übrig, als mich mit einem Laib Brot sowie je einem Glas Erdnussbutter und Konfitüre ins riesige Esszimmer zu verziehen, um mir ein paar Sandwiches machen und in Ruhe essen zu können.
Irgendwann erschien Jamie im Durchgang zur Küche. An ihm vorbei konnte ich sehen, wie Cora in der Küche herumwerkelte. »Weißt du, was ich denke?«, fragte er mich. »Auchwenn es jetzt ein bisschen anstrengend ist – am Ende wird sich die Aktion lohnen. Es ist super, dass wir das machen.«
Ich schaute zu meiner Schwester hinüber, die am Herd stand und einen Holzlöffel mit Schlitz darin betrachtete, als hätte sie keine Ahnung, was sie damit anfangen sollte. »Ach ja?«
Er nickte. »Genau so etwas braucht dieses Haus dringend – ein richtiges Fest. Einen Feiertag. Das gibt der ganzen Atmosphäre so etwas . . . Familiäres. Ein Gefühl von Fülle, von Zusammengehörigkeit.« Er seufzte, es klang fast wehmütig. Oder sehnsüchtig? »Außerdem habe ich Thanksgiving schon immer gern gemocht. Sogar bevor es zu unserem Jahrestag wurde.«
»Moment«, warf ich ein. »Sag bloß, ihr habt an Thanksgiving geheiratet?«
Er schüttelt den Kopf. »Nein, am zehnten Juni. Aber am Tag des großen Truthahns sind wir zusammengekommen. Hatten unser erstes richtiges Date. Deshalb war Thanksgiving unser erster Jahrestag, also der vor unserem Hochzeitstag.«
»Wer verabredet sich denn an einem der wichtigsten Feiertage des Jahres?«
»Es war nicht wirklich so geplant.« Er schnappte sich die Tüte mit dem Brot, nahm ein paar Scheiben heraus. »Eigentlich sollte ich an dem Tag heimfahren. Und ich hatte mich auch total darauf gefreut. Ich liebe Feiertage, vor allem, wenn sich im Grunde alles nur ums Essen dreht.«
»Kann ich mir denken.« Ich biss von meinem Erdnussbutterbrot ab.
»Aber am Abend vor Thanksgiving war ich Sushi essen«, fuhr er fort. »Hab irgendwie ein Stück schlechten Tintenfisch erwischt – und zack hatte ich eine Fischvergiftung. Dukannst dir nicht vorstellen, wie schlecht mir war. Hab mich die ganze Nacht durch übergeben und war noch am nächsten Tag vollkommen fertig. Deshalb musste ich allein im Studentenwohnheim bleiben. An Thanksgiving! Hast du je etwas so Trauriges gehört?«
»Ach wirklich?«
»Absolut. Es gibt nichts Schlimmeres!« Abgrundtiefer Seufzer. »Da lag ich also, dehydriert, ein Häufchen Elend. Irgendwann raffte ich mich auf, um zu duschen, war allerdings so schwach, dass ich auf dem Rückweg im Flur eine Pause einlegen musste. Da sitze ich also, halb ohnmächtig, plötzlich öffnet sich mir gegenüber die Tür – und da steht das Mädchen, das mich zu Beginn des Semesters angebrüllt hatte. Auch sie war über Thanksgiving allein. Und was machte sie gerade? Mit Tomatensoße und Käse überbackene Toasts.«
Wieder betrachtete ich für einen Moment meine Schwester, die inzwischen angestrengt in einem Kochbuch las und dabei mehrere Seiten mit ihren Fingern als Lesezeichen markierte. Und mir fielen die Toasts wieder ein, die sie unzählige Male für mich gemacht hatte: Toastbrot, billige Tomatensoße, Scheibletten. Pizzatoast eben . . .
Er nahm das Messer aus dem Marmeladenglas. »Im ersten Moment wirkte sie ziemlich erschrocken, denn offenbar war ich grün im Gesicht, und zwar buchstäblich. Sie fragte mich, ob alles in Ordnung sei, und als ich meinte, das wisse ich nicht so genau, trat sie auf mich zu, befühlte meine Stirn und meinte, ich solle in ihr Zimmer kommen und mich hinlegen. Dann ging sie zu dem einzigen Laden weit und breit, der geöffnet hatte – ein Fußmarsch von mehreren Kilometern hin und zurück –, kaufte mir ein paar Dosen Gatorade. Und als sie wieder zurückkam, teilte sie ihre Pizzatoasts mit mir.«
»Wow!«
»Du sagst
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