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About Ruby

About Ruby

Titel: About Ruby Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: S Dessen
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fällt Abholen nicht auch unter jemanden unterstützen?«
    Ich ignorierte die Frage, lehnte mich zurück, stützte mich mit beiden Händen hinter mir auf dem Asphalt ab. Ich war nun wirklich keine Expertin, wenn es darum ging, andere zu unterstützen. Was bedeutete das überhaupt? Zu jemandem zu halten, obwohl man es eigentlich besser wusste? Oder eher, wie Olivia, von vornherein keinen Hehl aus seiner Skepsis zu machen, selbst wenn der andere nichts davon hören wollte? Seit meinem Gespräch mit Nate im
Spice and Thyme
hatte ich oft darüber nachgedacht. Vielleicht gehörte er ja zu den Menschen, die wirklich im Moment leben, die einen Teil ihres Lebens von den anderen abgrenzen können. Doch für mich war der Nate, mit dem ich immer mehr Zeit verbrachte, derselbe Junge, der   – um es milde auszudrücken   – ein schwieriges Verhältnis zu seinem Vater hatte und fest entschlossen war, so bald wie möglich abzuhauen. Beides gute Gründe, mich von ihm zurückzuziehen oder zumindest auf Abstand zu gehen. Aber eigentlich passierte genau das Gegenteil: Wir kamen uns immer näher. Was der helle Wahnsinn war.
    Ich sah Olivia von der Seite an. Mit zusammengekniffenen Augen spähte sie suchend in die Ferne. Die Küchenuhr auf ihrem Schoß lief weiterhin. »Weißt du noch, wie du mir erzählt hast, dass deine erste Zeit an der Perkins Day total hart war?«, fragte ich. »Und du dir deswegen gar nicht erst die Mühe gemacht hast, Freunde zu finden?«
    »Ja.« Ihre Stimme klang ein wenig misstrauisch. »Wieso?«
    »Warum hast du deine Meinung geändert?« Ich sah ihr direkt ins Gesicht. »Ich meine, was mich betrifft. Warum dann plötzlich doch?«
    Darüber musste sie offensichtlich einen Moment nachdenken. Ein Minivan fuhr an uns vorbei, hielt auf der anderenSeite des Kassenhäuschens. »Keine Ahnung«, antwortete sie schließlich. »Vielleicht, weil wir etwas gemeinsam hatten.«
    »Jackson.«
    »Ja, auch. Aber nicht nur. Schließlich sind wir beide nicht die typischen Perkins-Day-Absolventen. Sind irgendwie anders als der Rest und darin dann doch wieder ähnlich. Ich meine, bei mir ist es meine Familie und dass wir nicht viel Geld haben. Du dagegen bist eine Säuferin und leicht kriminell ver-«
    »Stopp!«, sagte ich. »Du redest von einem einzigen Tag.«
    »Ich weiß. Das sollte ein Witz sein.« Sie winkte lässig ab. »Aber keine von uns passt so richtig dort hin.«
    »Stimmt.«
    Sie rutschte auf der Bordsteinkante etwas weiter nach hinten, strich sich ihre Rastazöpfe aus dem Gesicht. »Will sagen, es gibt eine Menge Menschen auf der Welt. Und niemand hat auf alles exakt denselben Blick wie man selbst. Das gibt es einfach nicht. Wenn man deshalb jemanden trifft, der zumindest ein
paar
Sachen rafft, vor allem solche, die einem selbst wichtig sind . . . warum soll man sich dann nicht mit dem- oder derjenigen zusammentun? Verstehst du?«
    Ich betrachtete die Stoppuhr, die zwischen uns auf dem Asphalt lag. »Das hast du hübsch gesagt«, meinte ich. »Und alles in allem in weniger als zwei Minuten.«
    »In der Kürze liegt die Würze   – eine Wahrheit, die leicht unterschätzt wird«, meinte sie lässig. Hob plötzlich die Hand, winkte jemandem hinter mir zu. Ich wandte mich unwillkürlich um. Zu meiner Überraschung stand vor dem Kassenhäuschen   – Gervais in seinem Matrosenmantel. Als er mich bemerkte, wurde er knallrot, schnappte sich hastigsein Ticket aus der Vertiefung unter der Glasscheibe und flitzte hinein.
    »Kennst du Gervais?«, fragte ich.
    »Wen? Extraportion Salz, Doppellakritz? Logo kenne ich unsere Stammkunden.«
    Ich sah sie verständnislos an.
    »Das bestellt er jedes Mal«, fuhr Olivia fort. »Einen Maxibecher Popcorn ohne Butter, dafür mit extra Salz, sowie zwei Tüten Lakritzschnecken. Er schaut sich mindestens einen Film pro Woche an, ein richtiger Filmfreak. Woher kennst du ihn?«
    »Wir fahren zusammen zur Schule.« Aha   – Gervais existierte also auch außerhalb unserer kleinen Fahrgemeinschaft. Hatte ein eigenes Leben. Was mich nicht weiter hätte verwundern sollen. Tat es aber doch, warum auch immer.
    Olivias Handy vibrierte. Sie zog es aus der Tasche, blickte aufs Display, seufzte. Laney. »Obwohl ich jetzt sagen könnte, ich hatte recht«, meinte Olivia, »Spaß macht es mir nicht.« Sie klappte das Handy auf, drückte auf den Knopf, um das Gespräch anzunehmen, verkündete, sie sei gleich da. Nahm ihr Buch, ihre Stopp- sowie die Küchenuhr, stand auf, klopfte sich kurz

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