About Ruby
Wasserversion von Blinde Kuh. Als sie aus dem Becken kletterten, war es schon nach zehn; Roscoe – der ununterbrochen gebellt hatte – konnte vor lauter Erschöpfung nicht mehr. Während die beiden sich abtrockneten, meinte Jamie: »Siehst du, ein ganz harmloses Vergnügen. Niemand hatte irgendeinen Nachteil davon.«
»Ja, echt nett«, antwortete ich und ließ meinen Fuß durchs Wasser gleiten.
»Kommst du mit zurück nach Hause?«, fragte Cora, als sie hinter mir vorbeigingen, Richtung Zaun.
»Gleich. Ich bleibe noch ein bisschen hier.«
»Ja, nutz es ruhig aus«, meinte Jamie. Roscoe trottete brav hinter ihm her. »Es wird nicht ewig so bleiben.«
Sie verschwanden durch das Tor im Zaun. Für eine Weile hörte ich noch ihre Stimmen, während sie über die Wiese aufs Haus zuliefen. Schließlich verklangen sie. Doch auch nachdem es endgültig still geworden war, wartete ich einpaar Minuten. Zog erst dann meine Hose aus, blickte mich noch einmal aufmerksam um, vergewisserte mich, dass ich allein war. Und sprang ins Becken.
Im ersten Moment war es ziemlich seltsam, um nicht zu sagen irritierend, nach einer so langen Zeit, in der ich kein einziges Mal schwimmen gewesen war, wieder im Wasser zu sein. Aber dieses Gefühl war genauso schnell vorbei, wie es mich überkommen hatte; gleichzeitig bewegte ich mich bereits intuitiv vorwärts, wie ein Fisch. Hatte, ehe ichs mich richtig versah, schon fast die andere Seite des Beckens erreicht. Das Wasser füllte meine Ohren, ich fand mich automatisch in den altvertrauten Rhythmus hinein. Hin, zurück, hin, zurück. Als plötzlich ein Licht im Haus anging, hätte ich nicht zu sagen vermocht, wie viele Bahnen ich bereits geschwommen war; nur, dass ich es tat. Und als das zweite Licht eingeschaltet wurde, war bereits alles zu spät.
Ich erstarrte. Duckte mich unmittelbar am Beckenrand so tief wie möglich. Eine Gestalt bewegte sich durch das mittlerweile hell erleuchtete Wohnzimmer. Nachdem sie den Raum einmal durchquert hatte und wieder zurückgekommen war, hörte ich, wie die Terrassentür aufgeschoben wurde.
Shit
, dachte ich panisch, holte tief Luft und ließ mich auf den Grund sinken.
Keine besonders schlaue Aktion, wie sich nur allzu rasch herausstellte. Denn als ich durch das flimmernde blaue Wasser nach oben blickte, konnte ich Nate am Rand des Beckens erkennen. Er starrte hinein, direkt auf mich herab. Da meine Lungen bereits zu platzen drohten, hatte ich ohnehin keine andere Wahl mehr, als wieder aufzutauchen.
»Wen haben wir denn da?«, fragte er, als ich prustend an der Oberfläche erschien. »Was geht hier ab?«
Ich schwamm zum Beckenrand – hauptsächlich, um irgendetwaszu tun – und rieb mir mit der Hand übers Gesicht. »Äh . . . also . . .«
»Cora und Jamie sind mal wieder in unseren Pool eingestiegen, mh?«
Verwirrt sah ich ihn an: Woher wusste er das denn schon wieder?
Er zog erst eine, dann die zweite Schwimmflosse hinter seinem Rücken hervor. »Sie sind keine besonders raffinierten Einbrecher.« Er ließ die Flossen neben sich auf den Boden fallen. »Die lagen völlig offen auf dem Stuhl dort drüben. Letztes Mal haben sie eine Schwimmnudel vergessen.«
»Ups«, meinte ich. »Erwischt.«
»Halb so wild.« Er hockte sich in meiner Nähe an den Beckenrand, steckte eine Hand ins Wasser. »Ist doch schön, wenn jemand das Teil ausnutzt. Mein Vater jammert sowieso dauernd rum, was es kostet, den Pool zu heizen.«
»Schwimmst du überhaupt nicht mehr?«
»Nicht so richtig«, antwortete er.
»Fehlt es dir denn überhaupt nicht?«
Ein Achselzucken. »Manchmal. War ’ne gute Fluchtmöglichkeit. Bis es eben keine mehr war, du verstehst.«
Ich dachte an die Geschichte, die er mir über seinen Vater erzählt hatte. Dass er immer weiter rumgebrüllt hatte, auf der anderen Seite des Zauns, obwohl man ihm im Schwimmbad quasi Hausverbot erteilt hatte. »Komm doch rein«, meinte ich. »Ist echt warm.«
»Nö, kein Bedarf.« Er setzte sich auf einen Gartenstuhl am Beckenrand. »Aber lass dich von mir nicht stören.«
Einen Augenblick lang ließ ich mich nur treiben. Schweigend. Schließlich sagte ich: »Ich dachte, du wärst unterwegs, wegen irgendeines Jobs.«
»Der Plan hat sich leicht geändert«, antwortete er. »Es wurde beschlossen, dass ich früher heimfahre.«
»Es wurde beschlossen«, wiederholte ich.
Er blickte auf. Lächelte matt. »Sagen wir mal so: Es war ein langer Tag.«
Das glaube ich dir gern
, dachte ich. Sagte
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