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About Ruby

About Ruby

Titel: About Ruby Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: S Dessen
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mich bereits sehnsüchtig. »Bin ich froh, dich zu sehen«, verkündete sie. »Ich wurde allmählich schon nervös, denn ich glaube, wir erleben gleich einen ziemlichen Ansturm. Irgendwie habe ich so ein Gefühl.«
    Ich blickte in die eine Richtung, zum Zentrum der Mall: Es herrschte Betrieb, aber kein Gedränge. Und auch auf der anderen Seite, wo die Fressmeile lag, bot sich ein ähnliches Bild. »Jetzt bin ich ja da.« Ich legte meine Tasche in das Schränkchen unter der Kasse, wobei mir mein Mitbringsel für sie wieder einfiel. Ich holte es heraus. »Hier, für dich.« Ich warf es ihr zu.
    »Wirklich?« Sie fing die Packung auf, drehte sie um. »Makronen! Ich liebe Makronen!«
    »Aus Belgien«, erklärte ich.
    »Okay.« Sie riss die Packung bereits auf. »Umso besser.«
    ***
    »Los, Laney! Schneller!«
    Ich blickte erst Olivia an und dann in die Richtung, in die sie gebrüllt hatte: das andere Ende des Parkplatzes vorm Einkaufszentrum. Sah allerdings nichts weiter als ein paar Autos und eine leere McDonalds-Tüte, die der Wind vor sich hertrieb. »Was machst du da noch mal?«
    »Frag gar nicht erst«, antwortete sie. Genau dasselbe hatte sie auch schon vor zehn Minuten gesagt, als ich sie zufälligvor dem Kino getroffen hatte. Sie hockte an diesem für die Jahreszeit ungewöhnlich warmen Samstag auf dem Bordstein in der Nähe des Kassenhäuschens, ein Buch auf dem Schoß. Dienst an der Kasse hatte offenbar jemand anderer.
    »Alles, was ich weiß, ist, dass ich es mir nicht ausgesucht habe.«
    »Was meinst du damit, nicht ausgesucht   –?« Doch ich unterbrach mich mitten im Satz, da ich plötzlich durch ein dumpfes Geräusch abgelenkt wurde:
tschap, tschap, tschap
. Als ich mich umdrehte, sah ich, wie Laney, in einem violetten Jogginganzug, beim Kaufhaus Meyer um die Ecke bog. Sehr langsam und gemächlich trabte sie auf uns zu.
    »Endlich!« Olivia holte eine digitale Küchenuhr unter ihrem Buch hervor, stand auf, formte mit beiden Händen einen Trichter vor ihrem Mund. »Du musst schon ein
bisschen
schneller laufen, wenn du möchtest, dass ich noch eine Runde lang hier sitzen bleibe!«, brüllte sie. »Hast du mich verstanden?«
    Laney achtete gar nicht auf sie, hatte sie aber vielleicht auch gar nicht gehört, sondern blickte beim Weiterlaufen stur geradeaus,
tschap-tschap, tschap-tschap
. Als sie näher kam, sah ich, dass ihr Gesicht gerötet war und sie ziemlich angestrengt wirkte. Allerdings nickte sie mir im Vorbeitraben kurz grüßend zu.
    Olivia warf einen Blick auf die Stoppuhr. »Fünf Minuten«, rief sie Laney nach, die nun auf das entgegengesetzte Ende des riesigen Gebäudes zusteuerte. »Das heißt, du brauchst für einen Kilometer zehn Minuten. Oder anders ausgedrückt: Schneckentempo ist nichts dagegen.«
    »Trainiert sie immer noch für den Fünfkilometerlauf?«, fragte ich, während einer der Sicherheitsleute der Mall langsam an uns vorbeilief und uns aufmerksam musterte.
    »Mit Training hat das nichts mehr zu tun, über den Punkt ist sie längst hinaus«, antwortete Olivia, hockte sich wieder auf die Bordsteinkante, legte die Stoppuhr neben sich. »Sie denkt an nichts anderes mehr als an dieses Rennen. Sie atmet, schläft, lebt es. Und ja, bevor du fragst: Das war ein Zitat.«
    »Du scheinst sie wirklich aus vollem Herzen zu unterstützen«, frotzelte ich.
    »Ich bin bloß realistisch«, erwiderte sie. »Seit zwei Monaten trainiert sie nun schon, trotzdem haben sich ihre Zeiten überhaupt nicht verbessert. Kein Stück. Falls sie wirklich darauf beharrt, an diesem Rennen teilzunehmen, wird sie sich bloß lächerlich machen.«
    Ich blickte noch einmal Laney nach, die tapfer vor sich hintrabte. »Trotzdem musst du zugeben, dass es irgendwie bewundernswert ist.«
    Olivia schnaubte spöttisch. »Was? Wenn man sich selbst total falsch einschätzt?«
    »Wenn man sich total auf etwas konzentriert«, antwortete ich. »Wenn man etwas entdeckt, das man gern tun würde, und beschließt, es auf jeden Fall zu versuchen, obwohl man es eigentlich gar nicht können
kann
. Weil man weder die Begabung noch die Voraussetzung dafür hat. Ich finde das ziemlich mutig, ehrlich gesagt.«
    Sie dachte einen Moment nach. Der Sicherheitstyp kam wieder an uns vorbei, diesmal aus der Gegenrichtung. »Wenn sie wirklich so mutig ist, warum gibt sie dann in der Regel bei ungefähr dreieinhalb Kilometern auf und ruft mich an, ich solle sie abholen?«
    »Das macht sie?«, fragte ich.
    »Nur jedes zweite Mal. Moment mal   –

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