About Ruby
Geschickt manövrierte er den Einkaufswagen um eine Gruppe Rentner herum, die etwas ratlos vor der Riesenauswahl an Gummibärchensorten standen, bevor er zielsicher um die Ecke sauste, Richtung Keksdosen.
»Ich weiß nicht«, meinte er, warf einen Blick auf die Liste in seiner Hand, begann, Dosen mit Shortbread aus dem Regal zu nehmen, auf denen ein kerniger, stämmiger Schotte abgebildet war, der Dudelsack spielte. »Ich glaube, was Harriet braucht, ist viel simpler, als sie denkt.«
»Dass
REST ASSURED
ihr Haus und ihr Leben aus reiner Nettigkeit von oben bis unten durchorganisiert?«
»Nein«, antwortete er. »Reggie.«
»Ah«, sagte ich. Die Rentner von vorhin kamen geschlossen auf uns zu, quetschten sich an unserem Einkaufswagen vorbei. »Dir ist es also auch aufgefallen.«
Er verdrehte die Augen. »Hör auf. Es ist doch schon fast zu offensichtlich. Was glaubt sie denn, wofür der ganze Ginkgo gut sein soll?«
»Genau das habe ich ihr auch gesagt«, meinte ich. »Aber schon bei der ersten Andeutung war sie
geschockt
. Richtig geschockt.«
»Ehrlich?« Er schob den Einkaufswagen ein Stück weiter. »Dann ist sie vermutlich noch chaotischer und zerstreuter, als wir dachten. Falls das überhaupt möglich ist.«
Wir mussten plötzlich abrupt bremsen, sonst wären wir mit zwei Frauen zusammengestoßen, deren Einkaufswagen bis oben mit Weinflaschen gefüllt war. Nach ein paar giftigen Blicken und jeder Menge Geschepper nahmen sie sich frech die Vorfahrt und schoben sich an uns vorbei.
»Sie habe zu viel zu tun für eine Beziehung«, meinte ich.
»Viel zu tun hat jeder«, sagte Nate.
»Ich weiß. Ich glaube, sie hat einfach bloß Angst.«
Er musterte mich prüfend. »Angst? Vor Reggie? Wieso? Glaubt sie, er würde sie endgültig zwingen, dem Koffein abzuschwören oder was?«
»Nein«, antwortete ich.
»Und weshalb dann?«
Ich zögerte einen Moment, denn mir wurde bewusst, dass mir das Thema eigentlich ein wenig zu heiß war. Denn es hatte für meinen Geschmack entschieden zu viel mit uns zu tun. »Du weißt schon, Angst davor, verletzt zu werden. Sich jemandem öffnen, seine Deckung aufgeben.«
»Ja, aber das gehört dazu, wenn man sich auf jemanden einlässt.« Er legte einige Schachteln mit Käsestangen in den Einkaufswagen. »Das Risiko muss man einfach eingehen. Manchmal funktioniert’s, manchmal eben nicht. Mit einer Beziehung, meine ich.«
Ich nahm mir ebenfalls eine Schachtel mit Käsestangen und betrachtete sie, als wäre sie das Interessanteste auf der Welt. »Ja, aber es hat nicht nur mit Glück zu tun. Oder Schicksal«, erwiderte ich.
»Was willst du damit sagen?« Nate nahm mir die Schachtel aus der Hand, legte sie zu den übrigen in den Einkaufswagen.
»Also, wenn man zum Beispiel von Anfang an weiß, es gibt etwas, das einem gewaltige Probleme machen kann – in Harriets Fall wäre es die Tatsache, dass sie ein Kontrollfreak ist und totale Eigenständigkeit braucht –, gesteht man sich das vielleicht besser vorher ein, anstatt seine Zeit zu vergeuden. Oder auch die von jemand anderem.«
Ich blickte auf und merkte, dass Nate mich unverwandt ansah. Er sagte: »Soll das etwa heißen, eine Beziehung ist von vornherein zum Scheitern verurteilt, weil jemand seine Selbstständigkeit nicht aufgeben möchte? Seit wann?«
»War doch bloß ein Beispiel«, antwortete ich. »Es könnte alles Mögliche sein.«
Er warf mir einen seltsamen Blick zu, was mich etwas nervte; wer hatte denn mit dem Thema angefangen, er oder ich? Und überhaupt, was wollte er von mir? Sollte ich ihm direkt ins Gesicht sagen, dass es zwischen uns nie klappen würde, weil es einfach zu schwer war, Nähe zu jemandem aufzubauen? Vor allem zu jemandem, um den ich mir Sorgen machen müsste? Höchste Zeit, das Ganze wieder rein theoretisch zu betrachten. »Ich meine bloß, dass Harriet mir nicht einmal die Kasse anvertrauen würde. Vielleicht wäre es daher ein wenig viel verlangt, wenn sie jemandem sich selbst und ihr Leben anvertrauen sollte.«
»Ich denke nicht, dass Reggie ihr Leben will.« Nate schob den Einkaufswagen weiter. »Bloß ein Date.«
»Aber eins führt vielleicht zum anderen«, erwiderte ich. »Und sie empfindet das Risiko als zu groß.«
Erneut spürte ich seinen Blick auf mir ruhen. Sah deshalb betont deutlich auf meine Uhr. Zeit zu gehen. Fast.
»Ja, vielleicht«, erwiderte Nate.
Zehn Minuten später – und eine Minute zu spät – kam ich bei Harriets Laden an. Natürlich erwartete sie
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