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About Ruby

About Ruby

Titel: About Ruby Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: S Dessen
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Druckbuchstaben   –
USWIM
stand.
    »Deine persönliche Lebensphilosophie«, sagte ich.
    »Tja«, antwortete er, »ich habe händeringend eins gesucht, auf dem ›Wenn du immer mit dem Schlimmsten rechnest, wirst du nie enttäuscht‹ steht. Aber die Teile waren leider ausverkauft.«
    »Kann ich mir denken.« Ich blickte auf. Ihn an. »Ich find’s schön. Danke.«
    »Kein Thema.« Er lehnte sich gegen die Wand. Lächelte mich an. Und plötzlich sah ich uns vor mir, zusammen im Pool. Wie er meine Hand genommen, mich mit sich nach unten gezogen hatte. Ein Erinnerungsbild, so klar, dass ich es in allen Einzelheiten erkennen konnte. Doch genauso deutlich stand mir jener andere Moment vor Augen. Seine verschlossene Miene, als er dort im Türspalt stand und sich zurückzog. Zwei Eindrücke, zwei Empfindungen, die einander diametral widersprachen: einmal ein Mich-heranziehen, das andere Mal ein Mich-wegstoßen. »Wie war Weihnachten?«, erkundigte er sich.
    »Und bei euch?«, konterte ich. Ich hatte nicht absichtlich einen ziemlich scharfen Ton angeschlagen, doch war er sogar für mich nicht zu überhören. Und für ihn erst recht nicht. Prompt änderte sich Nates Gesichtsausdruck: Das Lächeln verschwand nicht wirklich, aber es wurde dünn. Wie ausgefranst. Ich räusperte mich, blickte wieder auf das T-Shirt . »Ich meine, du musstest doch damit rechnen, dass ich dich danach frage.«
    Nate nickte. Er warf einen Blick quer durch die Küche in Richtung Wohnzimmer, wo sich sein Vater mit einer molligen Frau in einem roten Weihnachtspullover unterhielt. »Alles soweit okay«, meinte er. »Ein bisschen stressig, wie du ja mitgekriegt hast.«
    »Ein bisschen?«
    »Ist echt kein großes Ding, okay?«
    »Sah aber so aus.«
    »Nun, das stimmt nicht. Und es ist längst vorbei.«
    »Heiligabend ist gerade mal zwei Tage her.« Den Hinweis konnte ich mir nicht verkneifen.
    »Feiertage sind eben ätzend. Aber das weiß man doch vorher, oder?« Er senkte den Kopf. Die Frauen von vorhin kamen, eingehüllt in eine Handseifenduftwolke, von der Toilette zurück, liefen erneut an uns vorbei. Als sie ein paar Schritte weit weg waren, sagte Nate: »Hör zu, es tut mir leid, dass ich an dem Abend nicht mit dir reden konnte. Aber jetzt bin ich da. Und ich habe dir etwas geschenkt. Zählt das denn gar nichts?«
    Wieder fiel mein Blick auf das T-Shirt .
Du schwimmst
, dachte ich. Was besser war, als unterzugehen. Hatte Nate jedenfalls gesagt. Vielleicht gehörte das alles hier dazu, um über Wasser bleiben zu können. Eben nicht zu sinken. »Aber ich habe überhaupt nichts für dich.«
    »Nicht einmal belgische Makronen?«
    Ich schüttelte den Kopf.
    »Schon in Ordnung. Sie werden sowieso leicht überschätzt«, meinte er.
    »Ach ja?«
    Nate nickte, ließ seinen Blick erneut durch den Raum wandern, nahm die Partyatmosphäre auf. Streckte die Hand aus, ergriff meine, zog mich mit sich ein Stück den Flur entlang.Um die nächste Ecke. Als wir außer Sichtweite waren, lehnte er sich wieder an die Wand, legte sanft seine Hände um meine Taille, zog mich an sich. »Okay«, raunte er. »Fangen wir noch mal von vorn an. Schöne Weihnachten, Ruby.«
    Ich sah ihn an. Nahm alles in mich auf: die Form seines Kinns, seine Augen mit den langen Wimpern, die Art, wie er mir eine Strähne aus dem Gesicht strich, wie seine Finger durch das Haar neben meinem Gesicht glitten. Sich darin verhakten. So nah. Nachdem er so weit weg gewesen war. Doch jetzt war er hier.
    »Schöne Weihnachten«, erwiderte ich. Versuchte, mich auf die Nähe zu konzentrieren. Auf die Nähe selbst und nicht darauf, dass sie vielleicht bloß ein flüchtiger Moment sein würde   – ein Gefühl, welches mir nur zu vertraut war. Nate beugte sich vor, seine Lippen berührten meine. Er küsste mich. Gleich um die Ecke toste die Party. Es war laut. Es war trubelig. Und es passierte ohne uns. Als existierten wir gar nicht mehr.
    ***
    »Cora, es muss wirklich nicht sein«, sagte ich, als wir vor der Mall hielten.
    »Doch, es muss.« Sie schaltete den Motor ab. »Wie schon gesagt, es gibt Phasen im Leben, da muss man drastische Maßnahmen ergreifen, sonst gerät man in eine tiefe Krise.«
    »Aber genau das meine ich«, antwortete ich. Sie stieg bereits aus. Ich folgte ihr notgedrungen. Widerstrebend. »Ich bin in keiner Krise.«
    Sie blickte mich bloß stumm an, während ich um das Auto herum auf sie zuging. Warf sich den Griff ihrer Handtasche über die Schulter. »Erst habe ich dir Geld für

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