About Ruby
gleich vollkommen verwandelte. Doch als sich Cora schließlich zu mir umdrehte, erwiderte sie leise: »Nein.« Eine Verkäuferin schob einen fahrbaren Ständer mit hauchdünnen Flatterkleidern an uns vorbei. »Ich habe oft überlegt, ob ich ihn suchen soll. Vor allem, weil Jamie immer wieder davon anfing. Meinte, es wäre bestimmt nicht schwer, ihn zu finden. Aber ich schätze, ich habe irgendwie immer noch Angst.«
Ich nickte. Zumindest das konnte ich auf jeden Fall verstehen. Denn das, was man nicht weiß oder kennt, hat viele verschiedene Ebenen: von sicher und geschützt über gefährlich bis hin zu nebulös. Wobei Letzteres einem mit Sicherheit die meiste Angst einjagen konnte.
»Trotzdem, man weiß nie«, fuhr Cora fort. »Vielleichtkönnen wir es ja zusammen versuchen. Nach dem Motto: Gemeinsam sind wir stark.«
»Vielleicht«, erwiderte ich.
Sie lächelte mich an, allerdings ein wenig zögerlich. Dann fiel ihr Blick wieder auf die Pullover. »Aber jetzt: ran an die Arbeit. Wir gehen hier nicht eher raus, bis du mindestens zwei neue, komplette Outfits hast. Und eine Jacke. Und Schuhe.«
»Cora . . .«
»Keine Widerrede.« Sie schob ihre Handtasche auf ihrer Schulter energisch ein Stückchen höher, verschwand zwischen zwei Regalen mit Jeans. Kurze Zeit später sah ich von ihr nur noch den Kopf, der zwischen den Regalen und Ständern mit Klamotten auf und ab hüpfte wie ein Ball auf dem Wasser. Manchmal tauchte ihr Gesicht im Vorübergehen auch flüchtig in einem Spiegel auf, konzentriert und zu allem entschlossen. Zunächst blieb ich, wo ich war, draußen auf der freien Fläche vor
Junge Mode
. Die Verkäuferin kam erneut an mir vorbei. Lächelte mich an. Und ich ließ meine Blicke schließlich doch suchend umherwandern. Wo steckte Cora denn jetzt schon wieder? Sie nicht mehr zu sehen, war Grund genug, ihr schlussendlich doch zu folgen. Widerwillig zwar, aber immerhin.
Kapitel vierzehn
»Wow!«, meinte Nate. »Du siehst toll aus.«
Ich hatte eigentlich gehofft, genau diese Reaktion vermeiden zu können. Vor allem, weil Cora mir mehrfach versichert hatte, meine neuen Sachen sähen gar nicht so aus, als wären sie, nun ja, eben neu. Doch offensichtlich täuschte sie sich da gewaltig.
»Ist doch bloß eine Jacke«, antwortete ich und schnallte mich an. Dabei bemerkte ich, dass Gervais mich ebenfalls anschaute, und erwiderte seinen Blick herausfordernd. »Was denn?«
»Nichts.« Gervais rutschte auf seinem Sitz ein wenig tiefer.
Ich schüttelte angenervt den Kopf, schaute dann wieder Nate an. Er saß reglos am Steuer, ein leichtes Lächeln umspielte seine Lippen. »Und was ist der Anlass für diese Verwandlung? Heißes Date am Valentinstag oder so etwas?«
»Nö, wie kommst du darauf?«, gab ich zurück. Er lachte, legte den ersten Gang ein, fuhr los. Als wir das Stoppschild an der nächsten Ecke erreichten, streckte er allerdings die Hand aus, legte sie auf mein Knie und ließ sie dort liegen, selbst nachdem er wieder losgefahren war.
Es war Februar. Was bedeutete, dass Nate und ich das, was wir taten – miteinander ausgehen, knutschen, fast jedefreie Minute zusammen verbringen –, nun seit mehr als einem Monat taten. Und ich muss zugeben, ich war ziemlich glücklich damit, zumindest meistens. Doch egal wie gut wir uns kennenlernten, wie nahe wir einander kamen: Das mit seinem Vater stand immer zwischen uns, war der Teil von ihm, den er weiterhin hartnäckig vor mir verbarg. Nicht mit mir teilte. Es war nur diese eine Sache, fiel dafür allerdings umso stärker ins Gewicht. Und führte dazu, dass alles, was sich zwischen uns abspielte, immer nur bis zu einem gewissen Grad gut sein konnte. Selbst wenn alles gut
war
.
Wie zum Beispiel der morgige Valentinstag. Normalerweise wäre ich froh gewesen, an dem Tag einen festen Freund (oder so was in der Art) zu haben, an dem einem
besonders
deutlich unter die Nase gerieben wird, solo zu sein. Doch obwohl Nate ständig irgendwelche Andeutungen machte, dass er Großes für und mit uns vorhatte – es klang sehr geheimnisvoll, sehr aufwendig und befand sich anscheinend noch in einem Stadium der Planung, wo alles jederzeit umgeschmissen werden konnte –, konnte ich mich nicht entspannen und einfach darauf freuen. Die Firma seines Vaters,
REST ASSURED
, bot ihren Stammkunden zum Valentinstag einen Sonderservice an: Zusammenstellung von Präsentkörben, Express-Blumenlieferung und so weiter. Das Echo war überwältigend gewesen; als Konsequenz
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