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About Ruby

About Ruby

Titel: About Ruby Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: S Dessen
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Klamottengegeben«, sagte sie. »Und was hast du gekauft? Exakt vier Teile.«
    »Sieben, um genau zu sein«, sagte ich.
    Sie ignorierte den Einwand völlig. »Zweitens habe ich dir zu Weihnachten lauter Gutscheine geschenkt, die du noch nicht eingelöst hast.«
    »Ich brauche nichts Neues zum Anziehen!«
    »Drittens lässt du mir deshalb keine andere Wahl, als dich zum Einkaufen zu zwingen.« Seufzend hob Cora die Hand und schob ihre Sonnenbrille, die sie sich ins Haar gesteckt hatte, auf ihre Nase. »Ist dir eigentlich klar, wie sehr sich jedes halbwegs normale Mädchen in deinem Alter über diese Gelegenheit freuen würde? Ich habe eine Kreditkarte. Wir betreten gleich ein riesiges Gebäude, in dem sich ein Modegeschäft ans nächste reiht. Für einen Teenager muss das doch ein paradiesischer Zustand sein.«
    »Ich bin eben kein normaler Teenager«, sagte ich, während wir an zwei Müttern mit Kinderwagen vorkamen.
    Wir näherten uns bereits dem Haupteingang. Cora warf mir einen Blick von der Seite zu. »Natürlich bist du das nicht«, sagte sie versöhnlich. »Außerdem verstehe ich, dass du dich bei der Sache ein bisschen unbehaglich fühlst. Aber wir haben wirklich genug Geld, Jamie und ich. Und wir unterstützen dich gern.«
    »Ich fühle mich nicht unbehaglich«, antwortete ich. »Die Aktion ist bloß überflüssig.«
    »Man kann ruhig mal etwas von anderen annehmen«, sagte Cora. Die Türen zu
Esther Prine
– das exakte Gegenteil eines Billigkaufhauses   – glitten rechts und links vor uns zur Seite auf. »Deswegen ist man nicht gleich schwach oder hilflos. Auch wenn unsere Mutter das denkt.«
    Mir wurde das Ganze allmählich ein bisschen zu heiß,denn unter anderem
der
Punkt war bei meiner ersten (und hoffentlich letzten), unfreiwilligen Therapiesitzung vor ein paar Wochen Thema gewesen. Anstatt zu antworten, ging ich daher wortlos durch die vollautomatische Tür. Jedes Mal, wenn ich diesen Edelschuppen betrat, war ich von den leuchtend weißen Fliesen und den auf Hochglanz polierten Schmuckauslagen buchstäblich geblendet. Neben den Rolltreppen links von uns stand ein Typ im Frack und fiedelte Pachelbel. Über meine Mutter zu sprechen, war immer kompliziert, aber in dieser Umgebung hatte es etwas nahezu Surreales an sich.
    »Es hat nichts mit Mama zu tun«, sagte ich. Cora bedeutete mir, ihr in die nächsthöhere Etage zu folgen. »Jedenfalls nicht nur. Es ist einfach bloß . . . Ich bin so was nicht gewöhnt. Wir waren etwas knapp bei Kasse die letzten Jahre.«
    »Ich weiß«, antwortete Cora. »Aber genau davon spreche ich ja. In gewisser Weise gab es schon eine Wahl. Mama hätte durchaus das eine oder andere unternehmen können, um dir und auch sich selbst das Leben zu erleichtern.«
    »Indem sie sich zum Beispiel bei dir meldet?«
    »Ja.« Sie räusperte sich. Ließ ihren Blick über die Kosmetikabteilung schweifen, während wir die Rolltreppe hochfuhren. Und immer noch ein Stückchen höher. »Aber das Problem reicht noch viel weiter zurück. Denk an das Geld, das Papa versucht hat, ihr zukommen zu lassen. Sie war so sauer und so stur, sie hat es partout nicht genommen.«
    »Kleinen Moment«, sagte ich. Endlich erreichten wir das Ende der Rolltreppe. Cora steuerte zielstrebig in Richtung
Junge Mode
(Teil der Designerabteilung). »Ich dachte, Papa hätte ihr nie etwas gegeben. Dass er sich vor Unterhaltszahlungen gedrückt hat und einfach untergetaucht ist.«
    Cora schüttelte den Kopf. »Später möglicherweise, nachdemer nach Illinois gezogen war. Aber am Anfang, unmittelbar nach der Trennung? Nein. Er hat versucht, sich korrekt zu verhalten. Ich weiß es noch genau.«
    Was mich vermutlich nicht hätte wundern sollen. Schließlich hatte ich mittlerweile begriffen, wie viel meine Mutter für sich behalten, wie schamlos sie ihre und meine Realität frisiert hatte. Sie hatte mir ein bestimmtes Bild von Cora vermittelt, welches nicht der Wahrheit entsprach. Warum sollte es bei meinem Vater anders gewesen sein? Bei dem Gedanken fiel mir plötzlich noch etwas auf. Etwas, das in der gepflegten Welt von
Esther Prine
ebenfalls völlig fehl am Platz war. Dennoch musste ich es ansprechen.
    »Cora?«, begann ich. Sie stellte sich an einen Tisch mit Pullovern, ließ die Hand über den Wollstoff gleiten. »Weißt du, wo Papa steckt?«
    In dem Schweigen, das nun folgte, sah ich unwillkürlich vor mir, wie mein Leben sich schon wieder komplett veränderte. Sich drehte, verschob, verzerrte. Sich von jetzt auf

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