Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
About Ruby

About Ruby

Titel: About Ruby Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: S Dessen
Vom Netzwerk:
rief Jamie meinen Namen. Ich starrte ziemlich lang auf den Apparat, ohne mich zu rühren. Schließlich hob ich doch ab. »Hallo?«
    »Ich kann mir denken, dass du sauer auf mich bist«, meinte Nate. »Kommst du trotzdem eben raus, bitte?«
    Ich schwieg. Es hätte sowieso keinen Unterschied gemacht, wenn ich etwas gesagt hätte, denn er hatte bereits wieder aufgelegt. Das Freizeichen dröhnte in meinem Ohr.
    Als ich die Treppe runterkam, sang gerade Billie Holiday. Und als ich hinausging, immer noch. Ich lief über den Rasen zum Teich; das Gras unter meinen Füßen fühlte sich steif und starr an. Dieses Mal setzte ich mich nicht hin, sondern blieb mit vor der Brust verschränkten Armen stehen. Nate trat aus dem Schatten der Bäume. Er lächelte, hielt etwas hinter seinem Rücken verborgen.
    »Okay«, begann er, noch bevor er mich erreicht hatte, »mir ist klar, dass mehr als zwei Stunden Verspätung nicht die Art von Überraschung ist, die du erwartet hast. Aber heute war einfach nur Chaos. Ich bin gerade erst heimgekommen. Und ich mach’s wieder gut, versprochen.«
    Wir standen in dem Streifen Dunkelheit zwischen denLichtern aus Coras und denen aus seinem Haus, deshalb konnte ich sein Gesicht nicht deutlich erkennen. Trotzdem merkte ich sofort, dass irgendetwas nicht stimmte: Er wirkte nervös, angespannt, beinahe schreckhaft. »Du bist schon seit Längerem daheim«, erwiderte ich. »Das Licht in deinem Zimmer war an.«
    »Ja, aber wir hatten immer noch jede Menge Zeug zu erledigen.« Es kam ihm vollkommen flüssig über die Lippen; allerdings verlangsamte er beim Sprechen seine Schritte. »Ich musste Sachen wegräumen, alles genau notieren, damit wir Rechnungen stellen können. Außerdem musste ich natürlich das hier einpacken.«
    Er zog die Hand hinter dem Rücken hervor, hielt mir eine kleine Schachtel mit einer simplen Schleife darum herum entgegen.
    »Nate . . .«
    »Nimm schon«, sagte er. »Es macht die Sache nicht besser. Aber es entschädigt dich vielleicht ein kleines bisschen.«
    Ich nahm die Schachtel, öffnete sie jedoch nicht, sondern setzte mich auf die Bank, klemmte sie zwischen meine Knie. Einen Moment später setzte er sich neben mich. Aus der Nähe sah ich, dass sein Nacken rot und die Haut unmittelbar unter seinem Kragen ebenfalls leicht gerötet war. »Ich weiß, dass du schon seit Stunden zu Hause warst«, wiederholte ich leise. »Was geht da bei euch ab?«
    Er schwang ein Bein über die Bank, setzte sich rittlings hin, um mich besser anschauen zu können. »Nichts. Hey, der Valentinstag dauert bloß noch zwei Stunden. Also mach dein Geschenk auf und lass uns das Beste daraus machen. Aus dem, was übrig ist, meine ich.«
    »Ich will kein Geschenk.« Meine Stimme klang schärferals beabsichtigt. »Sondern dass du mir erzählst, was heute Abend passiert ist.«
    »Ich wurde aufgehalten, weil ich irgendwie mit meinem Vater klarkommen musste«, antwortete er. »Sonst nichts.«
    »Sonst nichts?«
    »Was soll ich denn deiner Meinung nach noch sagen?«
    »Begreifst du nicht, was ich mir für Sorgen um dich gemacht habe? Wie ich den ganzen Abend über hier gehockt, zu euch rübergeschaut, mich gefragt habe, wie’s dir geht?«
    »Gut.« Die Standardantwort. »Und jetzt bin ich da. Bei dir. Am Valentinstag. Den ganzen Tag habe ich mich darauf gefreut. Den ganzen Tag wollte ich genau da sein, wo ich jetzt bin. Und wo es endlich so weit ist, fallen mir eine Million Dinge ein, über die ich mich wesentlich lieber unterhalten würde als über meinen Vater.«
    Ich schüttelte abwehrend den Kopf. Blickte ins Wasser.
    »Zum Beispiel über mein Geschenk.« Er drehte mich leicht zu sich, legte die Hände rechts und links auf meine Hüften. »Es geht das Gerücht, es sei der absolute Hammer!«
    »Falsch«, erwiderte ich trocken. »Es handelt sich um eine Karte inklusive Geschenkgutschein. Und es ist ätzend.«
    Er lehnte sich ein wenig zurück, musterte mich aufmerksam. »Okay«, meinte er schließlich gedehnt. »Vielleicht sollten wir überhaupt nicht reden.«
    Und schon rückte er wieder näher. Im nächsten Moment spürte ich seine Lippen an meinem Ohr. Sie wanderten meinen Hals entlang, immer weiter runter. Normalerweise reichte das, um alles andere zu verdrängen. Zumindest vorübergehend. Diese unvermittelte, unleugbare Nähe, vor der jegliche Entfernung, Entfremdung, Distanz bedeutungslos wurde. Doch heute Abend nicht. Heute Abend war anders.»Hör auf.« Ich rutschte von ihm weg, hob meine Hände, wie

Weitere Kostenlose Bücher