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About Ruby

About Ruby

Titel: About Ruby Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: S Dessen
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ein Schild zwischen uns. »Okay? Lass das.«
    »Was ist los mit dir?«
    »Was mit mir los ist?«, wiederholte ich. »Das sollte ich wohl eher dich fragen. Du kannst nicht hier auftauchen, verkünden, alles sei in Ordnung, mich küssen und erwarten, dass ich einfach mitmache.«
    »Heißt das, ich soll dich nicht küssen?«, fragte er gedehnt.
    »Ich meine nur, dass nicht beides auf einmal geht«, erwiderte ich. »Du kannst nicht so tun, als wäre dir jemand wichtig, als würdest du dich gern um denjenigen kümmern, aber gleichzeitig verhindern, dass der andere sich um dich kümmert.«
    »Das tue ich doch gar nicht.«
    »Aber sicher, das tust du.«
    Er schüttelte den Kopf, wich meinem Blick allerdings aus. »Sieh mal, am Anfang, als wir uns kennengelernt haben, hast du es dir geradezu zum Prinzip gemacht, mich aus irgendwelchen brenzligen Situationen zu retten. In der ersten Nacht am Zaun, dann, als du mich an der Jackson abgeholt hast   –«
    »Es gibt einen Unterschied zu jetzt.«
    »Warum? Weil es um mich ging, nicht um dich?«, fragte ich. »Glaubst du, du bist irgendwie besser und stärker als andere und brauchst keine Hilfe, nur weil du den Menschen ständig unter die Arme greifst und ihnen das Leben erleichterst? Liegt es daran?«
    »Nein, das glaube ich überhaupt nicht.«
    »Du findest es also okay, dass dein Vater dich anbrüllt und durch die Gegend kommandiert.«
    »Was zwischen meinem Vater und mir abgeht, ist eineFamilienangelegenheit«, antwortete er. »Unsere Privatsache.«
    »So ähnlich wie damals bei mir, als ich allein in diesem Haus gewohnt habe, das deiner Meinung nach die reinste Bruchbude war?«, konterte ich. »Willst du damit sagen, du hättest mich da einfach hängen lassen, wenn ich dich dazu aufgefordert hätte? Oder auch auf der Lichtung im Wald?«
    Nate öffnete bereits den Mund, um darauf zu antworten, ließ es jedoch. Atmete stattdessen einmal tief durch.
    Endlich
, dachte ich.
Endlich dringe ich zu ihm durch.
    »Eins verstehe ich nicht«, meinte er schließlich. »Warum müssen diese beiden Dinge eigentlich immer miteinander in Zusammenhang gebracht werden?« »Welche beiden Dinge?«, fragte ich. »Ich und mein Vater auf der einen sowie ich und der Rest der Menschheit auf der anderen Seite.« Er schüttelte den Kopf. »Das ist nicht dasselbe. Nicht einmal annähernd.« Es lag an diesem einen kleinen Wort   – immer   –, dass ich mich plötzlich an etwas erinnerte. Heather und ich, an jenem Nachmittag, neben dem Aquarium.
Man weiß nie
, hatte sie erwidert, als ich zu ihr sagte, ein Freund mehr oder weniger   – wo sei da der Unterschied? So traurig, wie er ihr morgens auf dem Parkplatz immer nachgeblickt hatte, so viele Gerüchte . . . Vielleicht stimmte ja kein einziges davon. »
Deshalb
habt ihr euch getrennt, Heather und du«, folgerte ich langsam. »Nicht, weil sie nicht aushielt, was abging. Sondern weil sie dir nicht helfen konnte. Helfen durfte.«
    Nate blickte auf seine Hände. Schwieg. Ich war immer davon ausgegangen, dass Heather und ich total verschieden waren. Aber auch wir hatten von Anfang an etwas gemeinsam gehabt.
    »Red mit jemandem, erzähl, was los ist«, forderte ich ihn auf. »Mit deiner Mutter oder   –«
    Er schnitt mir das Wort ab: »Das geht nicht. Dadurch würde sich nichts ändern. Verstehst du das nicht?«
    Schon vor Wochen hatte er mich das gefragt. Ob ich ihn nicht verstehen würde? Und ich hatte die Frage bejaht. Aber im Hier und Jetzt waren wir unterschiedlicher Meinung. Nate glaubte vielleicht wirklich, dass das, was sich zwischen seinem Vater und ihm abspielte, keinen Einfluss auf seine Umgebung hatte. Doch er irrte sich. Und ich wusste das, kannte es von mir selbst. Denn obwohl ich nicht einmal ahnte, wo meine Mutter sich rumtrieb, war sie nach wie vor ganz dicht bei mir, in mir. Beeinflusste mein Verhalten, meine Ängste, sogar meine Reaktion, als ich das letzte Mal mit diesem Thema konfrontiert worden war. An Thanksgiving, als Nate mir fast wörtlich dieselbe Frage gestellt hatte. Deshalb musste meine Antwort dieses Mal Nein lauten.
Musste
.
    Doch zunächst hob ich meine Hand, legte sie auf seine Brust, dorthin, wo seine Haut am Kragen gerötet war. Was mir ja gleich zu Beginn unseres Gesprächs aufgefallen war. Nate schloss die Augen, lehnte sich sanft gegen meine Handfläche. Ich spürte seine Nähe, seine Wärme. Und wieder   – egal ob man es als böse Vorahnung oder siebten Sinn oder was auch immer bezeichnen möchte: Ich schob

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