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About Ruby

About Ruby

Titel: About Ruby Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: S Dessen
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erneut zu klingeln. »Für unser Date heute Abend bin ich rechtzeitig fertig.«
    Aber nicht deswegen machte ich mir Sorgen. Ob er das wohl ahnte? Schwer zu sagen, denn er telefonierte eigentlich ununterbrochen mit seinem Vater, auch als er vor der Schule hielt, damit Gervais und ich uns unter dem ganzen Herzkrempel hervorwurschteln und aussteigen konnten. Gervais ergriff niesend die Flucht. Ich stellte den Korb, den ich gehalten hatte, auf den Beifahrersitz und wartete nebender geöffneten Tür darauf, dass Nate auflegte. Doch als das endlich passierte, legte er auch schon wieder den ersten Gang ein, wollte sofort weiter.
    »Ich muss«, rief er mir über die Blumen hinweg zu. »Aber wir sehen uns heute Abend, okay? Um sieben, am Teich. Komm nicht zu spät.«
    Ich nickte. Schloss die Tür. Registrierte, dass er beim Davonfahren erneut das Handy ans Ohr hielt. Und dann war er weg. Alles, was ich noch sah, war ein Bündel herzförmiger Luftballons im Rückfenster, die hin und her tanzten, schwangen, schwebten. Hin und her, her und hin.
    ***
    Jamie und Cora waren essen gegangen (und traten wahrscheinlich gerade in die nächste Phase ein). Ich saß allein in der Küche am Tisch, hielt die Karte mit meinem blöden Geschenkgutschein in der Hand und schaute zu, wie die Zeiger der Küchenuhr schließlich auf sieben umsprangen.
    Ich stand auf, steckte die Karte in meine Tasche, fuhr mir mit beiden Händen durch die Haare, trat auf die Terrasse. Roscoe erhob sich von seinem Lager, folgte mir auf dem Fuß. Es war ziemlich kalt draußen. Über den Gartenzaun hinweg drang Licht: von der Poolbeleuchtung, aus dem Haus . . .
    Man kann es eine böse Vorahnung nennen. Oder die logische Konsequenz einer Situation, aus der es kein Entrinnen gab. Jedenfalls wusste ich   – nachdem ich eine Viertelstunde gewartet hatte und Nate immer noch nicht aufgetaucht war   –, dass er nicht nur einfach zu spät dran, sondern irgendetwas schrecklich schiefgegangen war. Ich wusste es, noch ehe meine Hände taub geworden waren, obwohl sie in den Taschen meiner neuen Jacke steckten;noch ehe Roscoe mich im Stich ließ, weil er sich denn doch lieber allein im warmen Haus als draußen in der Kälte in Gesellschaft aufhielt; noch ehe auf der anderen Seite des Zauns ein paar weitere Lichter angingen, welche kurz die Bäume anleuchteten, jedoch fast augenblicklich wieder ausgeschaltet wurden. Und ich wieder im Dunkeln stand. Um Viertel nach acht bemerkte ich, wie Cora an der Terrassentür erschien, sich abschirmend die Hände über die Augen hielt, in den Garten hinausspähte. Im nächsten Moment steckte sie den Kopf durch die Tür.
    »Alles okay?«, rief sie. »Dir ist doch bestimmt kalt.«
    »Wie war euer Abendessen?«, fragte ich.
    »Fantastisch.« Sie warf einen Blick über die Schulter zu Jamie, der gerade mit einem Behälter in Schwanenform in die Küche kam, in dem sich vermutlich die Reste ihres Abendessens befanden. »Du solltest die CD hören, die Jamie für mich gebrannt hat. Es sind lauter   –«
    Ich fiel ihr ins Wort: »Lass uns gleich reden, ja? Ich komme in ein paar Minuten rein.«
    Sie nickte zögernd. »Na gut«, meinte sie schließlich. »Aber warte nicht zu lang da draußen in der Kälte.«
    Hatte ich aber schon. Und zwar nicht nur die fünfundsiebzig Minuten, die seit sieben Uhr vergangen war. Sondern jede Sekunde seit Thanksgiving. Denn schon da hätte ich Nate klipp und klar sagen sollen, dass ich nicht einfach danebenstehen, zusehen und mich um ihn sorgen konnte. Doch was hatte ich stattdessen getan? Wider besseres Wissen die Wochen verstreichen lassen. Deshalb bekam ich an diesem kalten Februarabend genau das, was ich verdiente.
    Als ich schließlich ins Haus ging, versuchte ich, mich durch Hausaufgaben und Fernsehgucken abzulenken, ertappte mich jedoch immer wieder dabei, wie ich zu NatesHaus hinüberschaute. Zu seinem Fenster, auf das ich von meinem eigenen aus freie Sicht hatte. Die Jalousie war heruntergezogen, doch dahinter bewegte sich jemand durchs Zimmer, dessen Umrisse ich deutlich erkennen konnte. Zumindest dachte ich das, bis die Bewegung so abrupt endete, dass ich mich fragte, ob da wirklich wer gewesen war.
    Erst über eine Stunde später klingelte das Telefon. Cora und Jamie saßen unten, futterten Pralinen (Bestandteil der zweiten Phase) und hörten sich Coras neue CD an. Ihre Stimmen und die Musik drangen zu mir nach oben. Ich schaute nicht einmal aufs Display, sondern legte mich stattdessen aufs Bett. Aber dann

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