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About Ruby

About Ruby

Titel: About Ruby Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: S Dessen
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beide: Entweder man kümmerte sich ausschließlich um sich selbst und um sonst niemanden, sowie ich früher; oder man versorgte bloß noch den Rest der Welt und blendete sich selbst aus, so wie er jetzt.
    Derlei Gedanken waren mir in letzter Zeit des Öfteren gekommen, vor allem, wenn ich am WIR-HELFE N-Tisch vorbeiging. Heather Wainwright saß eigentlich immer da, nahm Spenden entgegen oder sammelte Unterschriften. Eine Zeit lang   – seit Thanksgiving, um genau zu sein   – hatte ich es ihr übel genommen, dass sie sich von Nate getrennt hatte. Weil ich fand, sie hätte ihn schmählich im Stich gelassen. Doch mittlerweile sah ich die Dinge verständlicherweise etwas anders. Meine Einstellung ihr gegenüber hatte sich so gewandelt, dass ich mich gelegentlich dabei ertappte, wie ich einen Moment stehen blieb, um herauszufinden, für welchen guten Zweck sich Heather jetzt schon wieder einsetzte. In der Regel war sie ziemlich beschäftigt. Quatschte pausenlos mit allen möglichen Leuten, lächelte mir daher bloß zu, meinte höchstens zwischendurch schnell, ich solle es sie auf jeden Fall wissen lassen, sofern ich irgendwelche Fragen hätte. Doch eines Tages, als ich ein paar Broschüren zum Thema »Rettet unsere Küste« durchblätterte, stellten wir plötzlich fest, dass sich ausnahmsweise außer uns beiden niemand sonst am WIR-HELFE N-Tisch aufhielt.
    »Ein sinnvolles Projekt«, meinte Heather, während ich eine Seite umblätterte, auf der unterschiedliche Stadien der Dünenerosion abgebildet waren. »Wir können nicht selbstverständlich davon ausgehen, dass wir immer so schöne Strände haben wie jetzt.«
    »Wahrscheinlich hast du recht«, antwortete ich.
    Sie lehnte sich auf ihrem Stuhl zurück, drehte den Kugelschreiber, den sie in der Hand hielt, zwischen ihren Fingern. Schweigen. Doch schließlich meinte sie: »Also . . . wie geht es eigentlich Nate?«
    Ich klappte die Broschüre zu. »Da fragst du leider die Falsche«, antwortete ich. »Wir haben momentan im Prinzip nichts miteinander zu tun.«
    »Ach so«, sagte sie. »Tut mir leid.«
    »Nein, schon okay«, erwiderte ich. »Es ist bloß . . . Es wurde irgendwie kompliziert. Verstehst du?«
    Eigentlich rechnete ich nicht damit, dass sie darauf antworten würde. Doch dann legte sie plötzlich den Stift auf den Tisch. »Wegen seinem Vater.« Eine simple Feststellung. Ich nickte. Was hätte ich auch sonst tun sollen? Sie lächelte traurig, schüttelte den Kopf. »Ich sage es dir nur ungern, aber falls du denkst, du würdest dir weniger Sorgen machen, indem du auf Distanz gehst . . . das funktioniert nicht. Nicht so richtig jedenfalls.«
    »Ja.« Ich blickte wieder auf die Broschüre. »Das kapiere ich allmählich auch.«
    »Das Schlimmste für mich war, mit anzusehen, wie er sich veränderte.« Seufzend strich sie sich das Haar aus dem Gesicht. »Zum Beispiel, als er aus dem Schwimmteam ausgestiegen ist. Dabei war Schwimmen sein Ein und Alles. Aber er gab es seinetwegen auf.«
    »Dich auch. Dich hat er auch aufgegeben, stimmt’s?«
    »Ja.« Erneuter Seufzer. »Kann man so sagen, denke ich.«
    Von der anderen Seite des Schulhofs her ertönte plötzlich lautes Gelächter. Wir blickten beide in die Richtung, aus der es kam. Als es wieder vorbei war, fuhr sie fort: »Wahrscheinlich hätte ich mich trotzdem ein wenig mehr bemühen sollen. Ihm beistehen. Oder ihn sanft dazu zwingen, das Thema endlich offen anzugehen. Irgendwie wünsche ich mir inzwischen, ich hätte es getan.«
    »Ehrlich?«
    »Ja, weil ich vermute, er an meiner Stelle hätte für michdasselbe gemacht«, erwiderte sie. »Und das war das Schwerste von allem. Zu denken, dass ich versagt habe. Nicht nur, was ihn betrifft, sondern auch mir selbst gegenüber. Verstehst du?«
    Ich nickte. »Ja, das tue ich.«
    »Ich habe gerade ungefähr eine halbe Stunde meines Lebens damit verbracht, Mr Thackray zuzulabern«, verkündete ein dunkelhaariges Mädchen mit Pferdeschwanz, während sie sich auf den leeren Stuhl neben Heather setzte. »Bis er endlich Ja gesagt hat: Wir dürfen uns heute Nachmittag noch einmal in die Ankündigungen einklinken, die über Lautsprecher kommen, und für unsere Spendenaktion Werbung machen. Allerdings finde ich, wir sollten dringend einen neuen Text entwerfen, um die Leute wirklich zu erreichen, sonst . . .«
    Da mein Gespräch mit Heather eindeutig beendet war, zog ich mich langsam vom WIR-HELFE N-Tisch zurück. »Mach’s gut, Ruby«, rief Heather mir nach.
    »Du auch«,

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