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About Ruby

About Ruby

Titel: About Ruby Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: S Dessen
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verlassen müssen. Vielleicht war das ja schon eine mögliche Antwort. Aber bestimmt nicht die einzig richtige oder gültige. Davon war ich mittlerweile überzeugt.
    Ich wurde aus meinen Gedanken gerissen und zurück in die Gegenwart, ins Einkaufszentrum, katapultiert, da Harriet meinen Namen rief. Ich blickte auf. Sie stand noch immer mit der Reporterin vor ihrem Laden und winkte mich zu sich.
    »Meine Assistentin, Ruby Cooper«, stellte sie mich vor, als ich bei den beiden angelangt war. »An dem Tag, als ich sie engagierte, trug sie diese Kette. Und davon habe ich mich inspirieren lassen.«
    Die Reporterin und der Fotograf richteten ihre Aufmerksamkeit postwendend auf mich. Ich musste den Impuls niederkämpfen, den Schlüssel um meinen Hals mit meiner Hand zu bedecken, und steckte deshalb beide Hände in die Hosentaschen. »Interessant.« Die Reporterin notierte sich etwas auf ihrem Block. »Und was hat
Sie
inspiriert, Ruby? Was hat Sie veranlasst, Ihren Schlüssel um den Hals zu tragen?«
    Die ideale Frage, um mich in Verlegenheit zu bringen. »Ich . . . äh . . . keine Ahnung«, antwortete ich. »Ich schätze, ich war es einfach leid, ihn ständig zu verschusseln.«
    Auch das schrieb die Reporterin sich auf. Dann warf sie dem Fotografen, der nach wie vor hauptsächlich die Schlüsselcolliers ablichtete, einen auffordernden Blick zu. An Harriet gewandt, meinte sie: »Ich denke, das wär’s. Danke, dass Sie sich die Zeit für uns genommen haben.«
    »Ich danke
Ihnen
«, erwiderte Harriet. Kaum waren die beiden außer Hörweite, wirbelte sie zu mir herum. »Du liebe Zeit, ich wäre beinahe gestorben, so nervös war ich. Meinst du, ich habe das einigermaßen hingekriegt?«
    »Du warst spitze«, antwortete ich.
    »Absolute Superklasse«, pflichtete Reggie mir bei. »Cooler als James Bond.«
    Harriet setzte sich auf ihren Hocker, rieb sich mit der Hand übers Gesicht. »Sie meinte, der Artikel erscheint wahrscheinlich in der Sonntagsausgabe, was natürlich irre wäre. Aber gleichzeitig . . . stellt euch vor, die Nachfrage wird noch größer! Ich komme ja jetzt kaum noch hinterher.«
    Typisch Harriet. Sah selbst im Positiven das Negative. »Du schaffst das schon«, sagte Reggie. »Schließlich hast du jemanden, der dir hilft. Und wie.«
    »Ich weiß.« Harriet lächelte mich an. »Es ist bloß . . . wahrscheinlich bin ich einfach nur ein bisschen durcheinander, weil alles auf einmal passiert. Allerdings könnte ich sicher auch noch mehr an
REST ASSURED
delegieren, Blake drängt mich sowieso schon die ganze Zeit dazu. Sie könnten den gesamten Versand übernehmen, den Internetkram, zumindest zum größten Teil, dieses ganze Zeug . . .«
    »Versuch einfach zu genießen, was gerade geschieht«, riet Reggie ihr. »Denn es ist etwas
Schönes

    Trotzdem konnte ich Harriet in gewisser Weise verstehen. Immer, wenn etwas Tolles passiert, muss man sich innerlich darauf einrichten, dass das Universum sich korrigieren wird. Aus etwas Gutem ergibt sich unweigerlich etwas Schlechtes, etwas, das verloren war, wird gefunden, und so weiter und so fort. Doch obwohl mir das bewusst war, wurde ich kalt erwischt, als ich an jenem Nachmittag ein wenig später heimkam und Cora mit Jamie in der Küche vorfand. Sie saßen am Tisch, das Telefon lag zwischen ihnen. Sie drehten sich gleichzeitig zu mir um. Und ich wusste augenblicklich: Irgendetwas stimmte nicht.
    »Ruby.« Coras Stimme war sanft. Traurig. »Es geht um Mama.«
    ***
    Meine Mutter war nicht in Florida. Nicht auf einem Boot mit Warner, sie lag auch nicht irgendwo faul in der Sonne oder kellnerte in einer Imbissbude am Strand. Sie war in einer Entzugsklinik. Seit zwei Wochen. Nachdem ein Zimmermädchenin dem Hotel in Tennessee, wo sie abgestiegen war, sie bewusstlos in ihrem Zimmer gefunden hatte.
    Im allerersten Moment war ich felsenfest davon überzeugt, sie wäre tot. Ich war mir dessen so sicher, dass ich spürte, wie mein eigenes Herz aussetzte. Und erst wieder zu schlagen begann, nachdem einige dieser Worte   –
Hotel, bewusstlos, Entzugsklinik, Tennessee
– von meinem Hirn in ihrer Bedeutung erkannt worden waren. Als Cora ausgeredet hatte, brachte ich nur eine einzige Frage hervor: »Geht es ihr gut?«
    Cora und Jamie wechselten einen Blick. Dann wandte Cora sich wieder mir zu. »Sie ist in Behandlung«, antwortete sie. »Der Prozess wird dauern. Sehr lange. Aber ja, es geht ihr den Umständen entsprechend gut.«
    Zu wissen, wo sie war, und dass es sich um eine

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