Abraham Kann Nichts Dafür. 66 Neue Satiren.
des Nahen Ostens eingehen würde. Die Vorbereitungen standen kurz vor dem Abschluß, als plötzlich jemand einen Punkt zur Sprache brachte, der im Trubel der allgemeinen Begeisterung irgendwie übersehen worden war. Nämlich: woher sollte das Geld für diese bedeutende soziale Aktion kommen? Der Gemeinderat trat umgehend zur üblichen Notstandssitzung zusammen. Große Worte wurden gesprochen, aber letzten Endes waren sich alle einig, daß die Gratisbananen aus propagandistischen Gründen nicht mehr vom Tisch gewischt werden konnten. Schließlich ging es um das Prestige der gesamten Stadtverwaltung. Der finanzielle Aspekt, so einigten sich die Stadträte, war »in engster Zusammenarbeit mit der Bevölkerung zu lösen«.
Gleich am darauffolgenden Morgen wurde eine große Bananenlotterie ins Leben gerufen. Jedes Los kostete fünfzig Shekel. Die Aktion erwies sich jedoch als nicht kostendeckend, da man vergaß, eventuelle Lottogewinne ins Kalkül zu ziehen. Man wandte sich daher direkt an die unverschämten Nutznießer der Aktion, nämlich an die Eltern der bananensüchtigen Kinder.
Der Plan war ganz einfach. Jedes Familienoberhaupt sollte laut Gesetz pro Monat ein Gratis-Bananen-Zertifikat zum Preis von 75 Shekel erwerben, das dem zugehörigen Kind das Recht auf seine tägliche Gratisbanane gab. Unglückseligerweise erwiesen sich die angesprochenen Eltern als kurzsichtige Querulanten. Sie teilten der Stadtverwaltung kategorisch mit, sie könne sich ihre stinkenden Bananen an den Hut stecken.
Den Stadtvätern blieb nichts anderes übrig, als per Sozialgesetz zu erlassen, daß die Entgegennahme der täglichen Gratisbanane ab sofort obligatorisch wäre. Schließlich handelte es sich um nichts Geringeres als um die Gesundheit der lieben Kinder, ja, die Zukunft unseres Landes.
Alles Weitere ist bekannt. Sowohl die Bananenlotterie als auch das Gratis-Bananen-Zertifikat wurden einfachheitshalber in eine allgemeine städtische Bananenbuße in der Höhe von rund 100 Shekel monatlich umgewandelt. Damit wurde automatisch die 27. Gemeindesteuer geschaffen, wobei Zuwiderhandelnde mit Beschlagnahme ihres Eigentums, in besonders drastischen Fällen auch mit hohen Gefängnisstrafen zu rechnen hatten.
Die Kriminalpolizei stand in Alarmbereitschaft. Die ersten Verhaftungen wurden bereits vorgenommen.
Die Aktion läuft.
Leider ist der Bürgermeister, der Initiator des Bananenprojektes, auf dem Höhepunkt der Krise auf einer Bananenschale ausgerutscht und hat sich das Bein gebrochen. Man munkelt, es sei die Rache einiger extremer Bananen gewesen.
Sozialpolitik fordert nun mal ihre Opfer.
Plonski
Vor ein paar Tagen erwarteten wir Besuch aus Amerika. Es handelte sich um eine angesehene Persönlichkeit und einen glühenden Bewunderer des Heiligen Landes. Unser Bekannter – wir wollen ihn Bob nennen, unter anderem deshalb, weil er ohnehin so heißt – taumelte zitternd und blaß in unser Wohnzimmer. Auf unsere besorgte Frage, was ihm denn zugestoßen sei, erzählte er uns, er hätte im Autobus Plonski getroffen.
»Normalerweise nehme ich ja immer ein Taxi«, fuhr Bob fort, nachdem er sich mit einem Drink gestärkt hatte. »Aber heute entschloß ich mich, mit dem Bus zu fahren. Irgendwo habe ich einmal gelesen, daß dies für einen Touristen die beste Methode wäre, die wahre Atmosphäre eines Landes kennenzulernen. Mit dem Daumen auf dem Puls der Bevölkerung reisen, wenn Sie wissen, was ich meine. Also, da kam ein Bus daher, und ich fragte einen Mann, wohin dieser Bus führe. Der Mann war Plonski.«
»Ein Bekannter von Ihnen?«
»Ach wo! Ich habe ihn noch nie im Leben gesehen. Er stand zufällig neben mir an der Bushaltestelle und schien ein harmloser Bürger zu sein, der, seinem gestutzten Schnauzbart nach zu urteilen, vielleicht sogar Englisch verstünde. Es stellte sich ziemlich bald heraus, daß er lieber und nur Jiddisch sprach, hingegen aber denselben Weg hatte wie ich.
Also blieben wir zusammen und setzten uns gemeinsam auf die hinterste Bank.
Nach zwei Haltestellen legte Plonski plötzlich den Kopf an meine Schulter und begann zu weinen. Es war rührend, wenn auch recht peinlich.
Ich fragte ihn, was ihm zugestoßen sei, und er begann zu erzählen, daß ihn seine heißgeliebte Frau, diese billige Nutte, verlassen hätte. Sie lebe jetzt in New York, und ob ich sie nicht zufällig kenne. Ich versuchte ihn zu trösten, sagte ihm, es seien schon viel schlimmere Dinge auf der Welt passiert, und erkundigte mich ganz
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